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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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SED-Führung der DDR ließ nur kurz, zwischen 1946 und 1952, die Bezeichnung Land Brandenburg zu, leistete dadurch aber Pionierarbeit; Brandenburg war vorher schon alles Mögliche gewesen, aber noch nie ein Land. Für die restlichen siebenunddreißig Jahre Sozialismus wurden solche regionalen Bezeichnungen gestrichen, weil in ihnen nach sozialistischem Glauben ein ungewolltes Erbe deutscher Kleinstaaterei zum Ausdruck kam. Die Thüringer oder die Sachsen begegneten dieser ideologischen Engstirnigkeit mit einem gefestigten Regionalstolz. Den Brandenburgern dagegen saß der preußische Untertanengehorsam noch zu tief in den Knochen, um sich gegen die von feudalen Spuren gereinigte Kartografie der neuen Befehlshaber zu wehren. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. hatte seinen Untertanen die Pflicht zum Gehorsam eingebläut. Der Gehorsam hielt mehrere Jahrhunderte lang an. Und die Hymne mit dem roten Adler, dem Wappentier Brandenburgs, blieb den Brandenburgern bis zur Wende im Halse stecken.
    Nun ist es mit nationalen und selbst mit regionalen Identifikationen immer etwas heikel. Sie verschwimmen, sobald man beginnt, historisch nachzuforschen. Schon die Nachnamen vieler Brandenburger haben flämische, wendische, polnische, russische oder französische Wurzeln. Ihre Vorfahren sind aus vielen Richtungen eingewandert. Zwei große Migrationswellen haben die brandenburgische Gegend geprägt. Zwischen 1000 und 1200, nach der Eroberung des von Slawen besiedelten Landes durch den Askanier Albrecht den Bären, ließen sich Siedler aus den verschiedensten deutschen Gebieten hier nieder. Und nach dem Dreißigjährigen Krieg strömten unzählige Menschen aus der Schweiz, der Pfalz oder Böhmen ins Land, herbeigelockt von einer Politik, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die stark verwüstete Region neu zu bevölkern. Eine der größten und prägendsten Einwanderergruppen waren die Hugenotten, protestantische Gläubige, die im Frankreich des 17. Jahrhunderts verfolgt wurden. Auch die geografischen und politischen Grenzen Brandenburgs veränderten sich während der Jahrhunderte ständig, abhängig von Kriegen und Eroberungsfeldzügen. So variabel wie die Grenzverläufe, so vage ist auch der Name »Brandenburg«. Noch heute bin ich unsicher hinsichtlich seiner Dimension.
    Da gibt es die Stadt Brandenburg und das Land Brandenburg. Da Stadt und Land gleich heißen, unterteilen sich die Brandenburger in Städter und Landeskinder, wobei die Stadtbewohner natürlich auch Land-Brandenburger sind, was ihnen immer noch eine zusätzliche Erklärung abverlangt. Die Neubrandenburger wiederum gehören nicht dazu. Sie können sich hierzulande jede Erklärung sparen, müssen aber im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern für die missverständliche Bezeichnung ihres Herkunftsortes einstehen.
    Dann gibt es die Bezeichnungen »Mark Brandenburg« und »Kurmark«. Beides hat nichts mit Geld zu tun. Geld war in diesem ärmlichen Landstrich ohnehin nie ein Thema, außer wenn man es sich borgen musste wie Friedrich II. einst von einem am österreichischen Hof lebenden Prinzen (Prinz Eugen), weil der eigene Vater ihm das Taschengeld strich. Die Mark bedeutet so viel wie Grenzland. Damit ist das an die Stadt Brandenburg grenzende Land gemeint. Als die Stadt 948 gegründet wurde, hieß sie allerdings Brendanburg. Zur Kurmark, auch Churmark, wurde Brandenburg dann ab dem 14. Jahrhundert unter den Hohenzollern. Sie bezeichneten damit das Land, das die brandenburgische Kurfürstenwürde repräsentierte.
    Und natürlich gab es Preußen. Preußen war ursprünglich ein Herzogtum in der Gegend des späteren Ostpreußen, bis sich der »Schiefe Fritz« 1701 die Krone selbst aufs Haupt drückte und aus seinem Kurfürstentum auf brandenburgischem Boden einen Staat machte. Innerhalb des Königreichs Preußen wurde die Mark zur Provinz. Außerdem gab es die Altmark und die Neumark. Beide gehören heute allerdings nicht mehr zur Mark. Dabei stammten die ersten Märker aus der Altmark, genauer gesagt, aus Havelberg, das neben Brandenburg die erste deutsche Stadt auf märkischem Boden war. Heute liegt Havelberg in Sachsen-Anhalt und muss sich die märkische Vergangenheit irgendwie ins Sachsen-Anhaltinische zurechtbiegen. Die Neumark östlich der Oder, die mittlerweile polnisch ist, hat ein ähnliches Identitätsproblem, und die Niederlausitz kam überhaupt erst so spät zu Brandenburg hinzu – im frühen 19. Jahrhundert –, dass sie ihrem früheren sächsischen

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