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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Bedauern auszudrücken. Wenn Sie damit umgehen können, haben Sie die Taufe zum Brandenburger bestanden. Meine Empfehlung: Machen Sie es so elegant wie mein Vater. In einer von Brandenburgs zahlreichen Dorfgaststätten erhielt er auf seine Frage nach grünem Tee die Auskunft: »Hamwanich«. Worauf er sagte: »Na, wenn Sie das nicht haben, dann nehme ich das auch nicht.«
Ichkommarum
    Hier handelt es sich nicht um den Versuch eines Alkoholikers, eine grammatikalische Lösung für die Trennung seines Ichs vom Alkohol zu finden. Es ist die schlichte Ankündigung, auf ein Bier oder ein Schwätzchen vorbeizukommen.
Ich jeh bei Brijitten
    Im Grunde ähnlich wie oben, nur spezifischer. Hier erfährt der Adressat der Äußerung, bei wem der Sprecher mal eben kurz rumkommt. Hochdeutsch: Ich gehe zur Brigitte.
Jenaupe!
    Bedeutet »genau«, wenn man es mit Nachdruck sagen möchte.
Samma
    Ausruf der Entrüstung. Kann auch als Anlauf zu einer Nachfrage benutzt werden. Hochdeutsch: Sag doch einmal.
Du alter Dämlack!
    Leicht veraltete Version der vulgärsprachlichen Formulierung, Du Idiot! Weitere Variationen sind: Du Flitzpiepe! Du Dumpfbacke! Du Dösbattel! Wobei Letztere stark sachsen-anhaltinische Anklänge aufweist.
Lesesteine
    Keine Kulturerscheinung. Man setzt sich auf diese Steine nicht etwa, um ein Buch zu lesen, sondern man liest sie auf. Das arme Land besaß nichts als Feldsteine, davon aber so viele, dass die Bauern sie aufsammelten und als Baumaterialien verkauften. Noch meine Eltern sammelten sie, um sich zu Zeiten der Mangelwirtschaft einen Kamin bauen zu können.
Kalbende Felder
    Der reichen Einbildungskraft der Landbevölkerung zu verdankende Formulierung, die ausdrücken will, dass aus den Tiefen der Felder wieder neue Lesesteine an die Oberfläche gelangt waren.
Häcksler, Häxler, Hexler oder Hecksler
    Wie immer Sie das Ding schreiben, schaffen Sie sich einen an! In Brandenburg ist der Häxler das, was für die Schweden der Rasenmäher und für die Amerikaner der SUV ist; ohne den Häxler gehören Sie nicht dazu. Er zerkleinert Ihnen alles: Ihr jährliches Herbstlaub, störende Äste, einen Balken aus der Scheunendecke. Unter Umständen kann er auch unerwünschte Biografien klein machen.
Kratzputz
    Von Westdeutschen gern als Spritzbeton vervornehmt. Dabei wird hier nicht gespritzt, sondern gekratzt; aus dem mit Splittern vermischten Beton kratzt man die Splitter nach dem Verputzen wieder raus. Kommt meistens in den Farben grau oder gelbbraun vor. Dieser architektonische Höhepunkt aus DDR-Zeiten wurde an vielen Einfamilienhäusern gern mit gelben, halb transparenten Vordächern aus gewellter Plaste kombiniert, die auf der Außentreppe Ankömmlinge vor dem Regen schützen.
Abbaggern
    Keine Angst, niemand lässt Sie sitzen. Hier ist nicht das Gegenteil von anbaggern gemeint. Hier geht es um: ausmerzen, einstampfen, plattmachen. Hundert Meter hohe Schaufelradbagger reißen Dörfer mitsamt der Kirche ab, um an die darunterliegende Braunkohle zu gelangen. In der Lausitz wurden in den letzten Jahrzehnten Hunderte Dörfer abgebaggert.
Gurkenflieger
    Nicht zu verwechseln mit dem Rosinenbomber. Bei diesem »Flieger« handelt es sich um einen Traktor, der mit bis zu fünfzehn Meter langen Flügeln ausgerüstet ist. Die Flügel schweben dreißig Zentimeter über der Lausitzer Erde, auf der Gewürzgurken wachsen. Diese werden von bäuchlings auf den Tragflächen liegenden Menschen, zumeist aus Osteuropa, geerntet, während das Fahrzeug langsam übers Feld streift und die Saisonarbeiter geschwollene Hände und steife Kreuze bekommen.

Nachlese
    Günter de Bruyn, »Mein Brandenburg.« Fotos von Barbara Klemm, S.Fischer, 2006
    Theodor Fontane, »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, dtv, 2006
    Marina Heilmeyer (Hrsg.), »Erdbeeren für Prinzessinnen«, aus der Reihe: Potsdamer Pomologische Geschichten, vacat Verlag, 2008
    Beatrix Langner, »Mark Brandenburg«, Hoffmann und Campe, 2011
    Moritz von Uslar, »Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung«, Kiepenheuer & Witsch, 2010
    Peter Walther (Hrsg.), »Märkische Dichterlandschaft«, DVA, 1998

Weitere Infos
    Bereits erschienen:
Gebrauchsanweisung für …
    Amerika
von Paul Watzlawick
    Amsterdam
von Siggi Weidemann
    Argentinien
von Christian Thiele
    Barcelona
von Merten Worthmann
    Bayern
von Bruno Jonas
    Berlin
von Jakob Hein
    die Bretagne
von Jochen Schmidt
    Brüssel und Flandern
von Siggi Weidemann
    Budapest und Ungarn
von Viktor Iro
    das Burgenland
von Andreas und

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