Gefaehrliche Gefuehle
Temperament eines Faultiers. Sie machte mich neugierig, trotz ihrer reservierten Art. (Oder vielleicht auch genau deswegen? Ist eigentlich schnuppe. Ich bin immer neugierig.)
»Hey Hedi«, sprach ich sie an. »Was hast du eigentlich vorher gemacht? Auf wen hast du aufgepasst, bevor du zu mir gekommen bist?«
Ich dachte schon, sie hätte mich nicht gehört, und wollte die Frage wiederholen, als sie sich doch rührte. »Diskretion ist das oberste Gebot in meinem Berufszweig«, hatte sie zu vermelden.
»Klar. Verstehe ich«, sagte ich. »Aber wir sind doch unter uns. Und ich verrate es auch niemandem.«
Trotz meiner Beteuerung gönnte sie mir keine Antwort. Ich seufzte, spielte mit meinem Handy rum und überlegte, ob ich Enzo noch mal ansimsen sollte. Aber ich hatte ihm gestern Abend noch gefühlte siebenhundert Entschuldigungs-SMS geschickt, das sollte fürs Erste reichen.
»Ich habe ziemlich Mist gebaut, Hedi«, plauderte ich. »Mein Freund ist total sauer und ich weiß absolut nicht, was ich machen soll.« Ich hatte noch nie vor jemandem von Enzo als meinem Freund gesprochen. Es war das erste Mal. Und es gefiel mir. »Mein Freund hat auch total Ärger mit seinem Chef«, probierte ich das neue Wort noch einmal aus. »Und alles wegen mir! Hast du eine Idee, was ich machen soll?«
»In dieser Angelegenheit kann ich Ihnen leider keine Ratschläge geben«, beschied sie.
»Echt nicht?«
»Nein. Das ist weit außerhalb meines Aufgabenbereichs.«
»Das ist schade.« Es wäre praktisch gewesen. Vor allem weil sie einen auf total verschwiegen machte. Dann käme sie vermutlich auch nicht auf die Idee, meine Privatangelegenheiten auszuplaudern. »Aber du sollst doch auf mich aufpassen, Hedi«, versuchte ich, sie aus der Reserve zu locken. »Da kannst du mir doch mal einen Tipp geben, wie ich mich richtig verhalte!«
Sie sagte nichts.
»Vielleicht sollte ich ihm eine Schokotorte als Wiedergutmachung mitbringen? Was hältst du davon?«
»Diesbezüglich eine Meinung zu äußern, steht mir nicht zu«, sagte sie. Ich stöhnte auf. War sie denn überhaupt nicht neugierig, was da eigentlich genau schiefgelaufen war? Und überhaupt. Ich begann zu ahnen, dass Hedi anders war als die meisten, eher wie ein Roboter. Bei dem irgendein Prozessor nicht richtig funktionierte. Lag vielleicht am Namen, Hedi. Da fehlte doch ganz eindeutig ein zweites i mitsamt dem Tüpfelchen obendrauf. Heidi, ja, das klingt lustig, nach Brezelbude und Luftballons. Hedi dagegen klingt eher nach Kartoffeln und Lachen im Waschkeller.
»Findest du es eigentlich nicht merkwürdig, dass ich dich duze und du mich siezt?«, fragte ich Hedi.
»Ich pflege einen professionellen Umgang mit meinem Schutzobjekt«, informierte sie mich.
»Das Schutzobjekt wird dich aber nicht siezen, damit das mal klar ist. Das ist mir zu albern.«
»Ganz wie es Ihnen beliebt.«
Ach du meine Güte! Das würde noch was dauern, die weichzukochen.
Als wir auf dem Parkplatz des Golfclubs ausstiegen, kam es mir vor, als wäre es noch kälter geworden. Die Temperaturen lagen weit unter null. Der Golfplatz war von einer Reifschicht bedeckt, die Äste der Büsche drum herum schienen mit Puderzucker überzogen. Der Himmel war klar und die Sonnenstrahlen, die schräg durch die kahlen Bäume fielen, kitzelten mich in der Nase. Es war einfach ein sehr schöner Wintertag. Und die Aussicht, gleich Silvy zu begegnen, hob plötzlich meine Laune noch. Ich musste feststellen, dass ich gerade in der richtigen Stimmung war für eine kleine Auseinandersetzung.
Das Golfturnier fand in der großen Indoor-Anlage statt, die an das Clubhaus und das Restaurant angeschlossen war. Ich war mit Silvy letztes Jahr schon mal hier gewesen, weil sie gemeint hatte, da könnte man interessante Jungs kennenlernen. (Was nicht der Fall war. Wobei das hauptsächlich daran lag, dass sich bei mir die Begriffe »interessant« und »Pullunder« nicht miteinander vereinbaren lassen.) Die Pullunder-Jungs aus der Jugendmannschaft spielten um eine große Torte und einen hässlichen Pokal, die Erwachsenen um eine Magnumflasche Champagner und einen noch hässlicheren Pokal. Aus mir unerfindlichen Gründen war der Sieg hart umkämpft. Im Restaurant des Clubhauses waren für die Turnierteilnehmer Tische, Stühle und Stehtische aufgebaut worden, die mit weißen Tischdecken und allerlei Plunder dekoriert waren. Und rechts am Rand, neben der Bar, kommandierte Silvy zwei junge Frauen herum, die gerade mit genervten Mienen den
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