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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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in die Augen und wartete.
    »Da kam ein Anruf, als Rae und ich oben
waren«, sagte ich schließlich. »Von meinem Bruder John. Ich hab die Nachricht
für mich behalten, weil ich die Kinder und Ricky nicht belasten wollte. Auch
nach der Scheidung von Charlene gehört er doch immer noch...«Ich verstummte,
biss mir auf die Lippe.
    »Ist was mit Charlene?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Wenn du’s in Worte fasst, wird es real.
    »Wer, Schatz?«
    Unübliches Kosewort aus Hys Mund.
    »Mein Vater. Er ist... er ist tot. Er
hatte einen Herzinfarkt, heute Nachmittag. In der Garage in San Diego. Er war
ganz allein, mit irgendeiner Holzarbeit.«
    Da, jetzt ist es draußen. Pa ist tot.
Und trotz all der Todesfälle, die ich im Lauf meines Berufslebens mitgekriegt
habe, weiß ich nicht, wie ich mit diesem hier umgehen soll.
    Hy wusste es. Er nahm mich in die Arme,
zog mich an sich und hielt mich fest.
     
     
     
     

23 Uhr 17
     
     
    »Kannst du nicht schlafen, McCone?«
    »Hm-mm.«
    »Bist du dir sicher, dass ich dich
morgen früh nicht dort runterfliegen soll?«
    »Ja. Ein Linienflug ist schneller.«
    »Dann lass mich wenigstens mitkommen.
Ich sollte doch bei der Beerdigung dabei sein.«
    »Sagte ich das nicht? Es gibt keine
Beerdigung. Pa hielt nichts von Beerdigungen. John lässt ihn einäschern, und am
Montag fliegen wir beide los und verstreuen seine Asche über dem Meer.«
    »Nur ihr beide? Und die anderen?«
    »Charlene ist bei einem Kongress in
London. Patsy kann das neue Restaurant nicht allein lassen. Joey konnte John nicht
erreichen — sein Telefonanschluss existiert nicht mehr.«
    »Na ja, aber wenn ich mitkäme, könnte
ich eine Maschine mieten und sie fliegen, während du und John...«
    »Nein, ich mach das schon. Außerdem
möchte ich, dass du was anderes für mich tust.«
    »Du brauchst es nur zu sagen.«
    »Es ist schon was Größeres. Könntest du
dich solange um die Detektei kümmern? Sonst hab ich den Laden ja, wenn ich weg
war, immer Rae übergeben, aber jetzt...«
    »Kein Problem. Ich habe im Moment
gerade etwas Luft, aber auch sonst — ich bin immer für dich da.«
    »Ich weiß.«
     
    Aber jetzt weiß ich, dass »immer« eine
Lüge ist.
    Jetzt weiß ich, dass letztlich nur der
Tod sicher ist.

Montag,
4. September

15 Uhr 21
     
     
    »Das kann ich nicht«, sagte mein großer
Bruder John. Ich brachte die gemietete Cessna über dem Pazifik in den
Geradeausflug, nahm das Gas weg, bis der Motor jenes charakteristische
Schnurren von sich gab, dem ich, auch ohne auf den Tacho zu gucken, entnehmen
konnte, dass er genau die richtige Drehzahl für den Langsamflug hatte.
    »Was?«
    »Ich sagte, das kann ich nicht.«
    Ich sah zu ihm hinüber. Auch unter
normalen Bedingungen schon ein nervöser Passagier, saß er zusammengesunken auf
dem rechten Sitz, den schlichten Pappkarton und die Metallurne an sich
gepresst. Das blonde Haar fiel ihm in die Stirn, und da waren ausgeprägte
Falten zwischen seinen Brauen und um den Mund. Trotz seiner achtundvierzig
Jahre glich er einem unglücklichen, trotzigen kleinen Jungen.
    »Warum nicht?«, fragte ich.
    Er zuckte die Achseln und guckte weg.
    Oh Gott, er zeigte voll entwickelte
Symptome des berüchtigten Familiengebrechens — der Unfähigkeit, angemessen mit
den Toten umzugehen. Das war auch der Grund, warum er jetzt zwei Behältnisse
auf dem Schoß hielt, den Karton mit Pas Asche und die Urne mit der unseres
Großvaters väterlicherseits. Die Urne hatte gut zwanzig Jahre auf dem obersten
Bord in Vaters Wandschrank herumgestanden, und gestern war ich mit dem festen
Vorsatz nach San Diego gekommen, dafür zu sorgen, dass Grandpa zusammen mit Pa
verstreut würde. Aber jetzt schien John dieser Aufgabe so wenig gewachsen wie
unser Vater.
    Ich befand, es wäre am besten, das
Problem sachlich und unemotional anzugehen. »Falls du Angst hast, im Flug das
Fenster aufzumachen — das ist absolut harmlos. Und du brauchst dich nicht rauszubeugen.
Kipp einfach nur den Behälter zum Heck hin.«
    »Wieso zum Heck?«
    »Weil, wenn du ihn zum Bug hin
auskippst, der Propellerwind das Zeug wieder reinweht.«
    Fehler. John zuckte zusammen, schloss
die Augen und barg die Behälter schützend zwischen seinen großen Händen. »Das
ist nicht einfach irgendein ›Zeug‹«, sagte er.
    »Sorry. Mir setzt das alles genauso zu
wie dir, und ich schätze, ich will einfach nicht an mich heranlassen, dass das
da drin Pa und Grandpa sind.«
    Er nahm meine Entschuldigung mit einem
Nicken an, schaute

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