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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mich aber nicht an. Kurz darauf sagte er: »Shar, bist du dir
sicher, dass Pa das so wollte?«
    »Es steht in seinem Testament.«
    »Aber das hat er schon vor einer ganzen
Weile gemacht. Vielleicht hat er sich’s ja noch mal anders überlegt.«
    »Dann hätte er einen Nachtrag
geschrieben. Pa war in solchen Kleinigkeiten immer sehr gewissenhaft.«
Ausgenommen die unbedeutende Kleinigkeit, dass die sterblichen Überreste seines
Vaters bei seinen Mänteln residierten.
    »Aber Grandpa? Der ist doch nie
freiwillig geflogen. Meinst du wirklich, es wäre ihm recht, aus einem Flugzeug
geworfen zu werden?«
    »Immer noch besser, als alle Ewigkeit
neben Pas Baseballkappen auf dem Schrankbrett zu verbringen.«
    »Du bist verdammt lakonisch für
jemanden, der gerade erst seinen Vater verloren hat!«
    »Und du machst daraus ein kompliziertes
Riesending! Verstreu sie endlich!«
    Er schwieg wieder, seine kostbare
Fracht fest an sich gepresst.
    Ich konnte ja verstehen, dass er’s
nicht schaffte, diesen letzten Ritus zu vollziehen; Loslassen war mir auch noch
nie leicht gefallen. Und er hatte Pa näher gestanden als wir Übrigen, vor allem
in den letzten Jahren. Trotzdem, jemand musste...
    »Dann halt in Herrgotts Namen die
Maschine gerade!«, rief ich aus.
    »Was?«
    »Füße auf die Pedale, Hand ans Handrad
und das Ding gerade halten.« Ich öffnete mein Fenster.
    »Was in aller Welt...«
    »Füße auf die Pedale, so.« Ich zeigte
auf meine Füße. Langsam brachte John seine in Position. »Jetzt die rechte Hand
ans Handrad — leicht, nicht zupacken oder heftig bewegen. Einfach nur sachte
regulieren.«
    »Ich kann nicht...«
    »Du hast’s doch bei mir gesehen. Ist
ganz leicht.«
    »Ich... okay.« Er bewegte das Handrad
probehalber ein wenig.
    »Genau. Sie fliegt fast wie von selbst.
Du machst das ganz prima.«
    »Ganz prima«, sagte er zweifelnd.
    »Jetzt gib mir einen von beiden.« Ich
deutete mit einer Kopfbewegung auf die Behältnisse, während ich meinen Gurt
löste.
    »Äh... wen?«
    »Grandpa. Der wartet schon länger.«
    Nach kurzem Zögern reichte er mir die
Urne. Guckte starr geradeaus, als ich den Deckel abnahm. Ich drehte mich auf
meinem Sitz, streckte den Arm durchs Fenster und kippte die Urne aus. Sah Asche
und kleine Knochenstückchen im Luftstrom davonwirbeln.
    James McCone, endlich aus dem Schrank.
    Ich widerstand einem ungebührlichen
Drang zu kichern, während ich die Urne wieder verschloss und im Gepäckraum
hinter mir verstaute. John würde stinksauer auf mich sein, wenn ich in so einem
Moment lachte. Er teilte meinen schrägen und manchmal respektlosen Humor nicht,
wenn ich mir auch ziemlich sicher war, dass Pa und Grandpa Sinn für die
Absurdität dieser Situation gehabt hätten.
    Plötzlich schwenkte der Bug der
Maschine empor, und sie begann heftig zu rollen. Aus irgendeinem Grund hatte
John am Knüppel gezogen. Er umklammerte jetzt das Handrad mit beiden Händen und
versuchte, das Flugzeug wie ein Auto zu steuern.
    »Loslassen!«, rief ich. »Runter von den
Rudern!«
    Er hielt eisern fest, das Gesicht
verzogen. Als ich ihn endlich vom Handrad losgeeist hatte, heulte der Alarm
auf, weil der Luftstrom unter den Tragflächen fast abgerissen war. »Was ist
los?«, brüllte er.
    »Schon gut. Ist nichts weiter.« Ich
kontrollierte die Überzieh-Situation durch abwechselndes leichtes Betätigen der
Ruder, drückte den Bug nach unten.
    »Nichts weiter?«, sagte er matt und
wischte sich Schweiß vom blassen Gesicht.
    »Passiert Anfängern ständig.« Trotzdem,
ein Glück, dass ich es in den Griff gekriegt hatte! Den Sturzflug, der durch
den Strömungsabriss verursacht worden wäre, wollte ich ihm nicht zumuten — schon
gar nicht in so einer Situation.
    »Ich fange damit gar nicht erst an«,
sagte er. »Meine Zeiten als Pilot sind hiermit beendet.«
    »Quatsch. Du hast es prima gemacht.
Los, übernimm wieder.«
    »Kommt nicht in Frage.«
    »Entweder du fliegst, oder...«Ich
zeigte auf den Karton. Er setzte die Füße langsam wieder auf die Pedale,
berührte das Handrad, als hätte er Angst, sich daran zu verbrennen.
    »Und jetzt gib mir Pa.«
    Johns linke Hand umkrallte den Karton;
ich fürchtete schon, er würde sich weigern. Dann, endlich, lockerten sich seine
Finger; sie streichelten den Karton sanft, ehe er ihn mir herüberreichte.
    Ich nahm den Deckel ab. Zögerte,
starrte hinunter aufs Meer, das Pa, als alter Seemann, zu seiner letzten
Ruhestätte bestimmt hatte. Tränen trübten meinen Blick, und unter

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