Gefaehrliche Versuchung
und faszinierender und so mutig und tapfer, dass es ihn beschämte. Er wollte ihr sagen, dass er nur für sie in England bleiben und Tulpen züchten würde. Er wusste jedoch nicht, ob er es konnte. Er wusste nicht einmal, ob es das war, was sie wollte. Und nach allem, was sie durchgemacht hatte, verdiente sie es, das zu bekommen, was sie wollte. Also hielt er sie wortlos umschlungen, an sein Herz gedrückt, ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt, und lauschte ihrem Atem.
»Wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte sie und bewies einmal mehr, wie viel mutiger sie war als er.
»Was wünschst du dir denn?«
Sie lachte leise, und er fühlte es in seiner Brust. »Ich möchte es noch einmal tun.«
Er lächelte. Das Blut schoss ihm in die Lenden, und sein Körper zeigte, wie begeistert er von dieser Idee war. »Würdest du es gern einmal auf einem Sessel ausprobieren?«
Sie hob den Kopf und sah ihn an.
»Tatsächlich?«
Er lächelte und strich ihr die Haare aus der Stirn. »Warst du nicht diejenige, die Ars Amatoria gelesen hat? ›Es gibt unzählige Wege, es zu tun.‹«
Ihre Augen wurden noch größer, und wieder war sie das junge Mädchen, das davorstand, neue Erfahrungen zu sammeln. »Hat er das damit gemeint? Grundgütiger.«
Harry konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Warte nur ab, bis ich dir ein paar der Bücher gezeigt habe, die ich aus Indien mitgebracht habe.«
In dieser Nacht liebten sie sich noch drei Mal – einmal auf einem Sessel, einmal auf dem Teppich und einmal im Bad. Harry fühlte sich siegestrunken. Er fühlte sich dankbar. Vor allem aber empfand er eine liebevolle Zuneigung zu seiner Frau. Denn obwohl sie Missbrauch erlebt hatte, der sie für den Rest des Lebens hätte lähmen können, hatte sie sich auf ihn eingelassen und gelernt, wie viel Freude und Lust es zwischen Mann und Frau geben konnte. Langsam schenkte sie ihm ihr Vertrauen. Harry wusste, dass es noch nicht ausreichte, dass es nicht alles war. Doch es war immerhin ein Anfang, und er wollte jede Sekunde mit ihr verbringen, um mit ihr herauszufinden, was vor ihnen lag.
Kurz vor der Morgendämmerung bewies Kate ihr wachsendes Vertrauen zu ihm, indem sie ihm erlaubte, die Kerzen auszupusten. Als die Dunkelheit der Nacht das Zimmer einhüllte, schmiegte Kate sich an Harrys Brust und flüsterte: »Ich liebe dich.« Harry, der überraschter war, als er zugeben wollte, schlief mit der Frage im Kopf ein, was er ihr antworten sollte.
In dieser Nacht fand Kate keinen Schlaf. Nicht, nachdem sie in der Dunkelheit all ihren Mut zusammengenommen und die Worte ausgesprochen hatte. Harry hatte ihr ein Wunder geschenkt. Also konnte sie auch den Mut aufbringen, ihm die Wahrheit zu sagen.
»Ich liebe dich«, hatte sie gehaucht.
Sie redete sich ein, dass er nicht reagiert hatte, weil er schon eingeschlafen war und sie nicht gehört hatte. Sie wusste jedoch, dass es nicht stimmte. Denn sie hatte gespürt, wie Harrys Körper sich bei ihren Worten angespannt hatte. Sie konnte sich vorstellen, was er gedacht hatte. Grundgütiger. Da steigt man einmal mit einem Mädchen ins Bett, und es denkt, man wäre ihm fürs Leben treu ergeben.
Eigentlich hätte sie es besser wissen müssen. Wenn Harry sie vor zehn Jahren nicht genug geliebt hatte, um sich ihrem Vater entgegenzustellen, wieso sollte er sie dann jetzt plötzlich mehr lieben? Er war nett, geduldig und großzügiger, als Kate es sich je hätte vorstellen können. Er hatte sie aus ihrem schlimmsten inneren Gefängnis befreit, und allein deshalb würde sie ihn für immer lieben. Das bedeutete allerdings nicht, dass er mit einem Mal seine Pantoffeln neben den Herd in Eastcourt stellen wollte.
Sie badete in dem wundervollen Nachglühen der Lust, die ihren Körper noch immer erfüllte, und genoss die Erinnerungen, die Harry ihr gegeben hatte, um damit die alten zu verdrängen: Erinnerungen an unglaublich zärtliche Liebkosungen, innige Küsse, das erstaunliche Gefühl, erfüllt zu sein. Kein Schmerz, sondern Verzückung, Leidenschaft, Erstaunen. Sie wollte singen, wollte sich mit dem glücklichen Gefühl der völligen Freiheit im Kreis drehen. Es war wirklich ein Liebesakt gewesen, selbst wenn Harry sie nicht liebte.
Für den Augenblick reichte es. Es musste reichen. Nach allem, was Harry ihr gegeben hatte, konnte sie ihm zumindest die Freiheit schenken. Sie könnte zurücktreten, während er die endlosen Meilen ging, von denen er glaubte, dass sie seine Albträume vertreiben würden. Aber sie
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