Die Schwestern von Rose Cottage: Jo (German Edition)
PROLOG
P ack deine Sachen, und komm nach Virginia“, forderte Ashley ihre kleine Schwester Jo auf, deren Welt gerade wie ein Kartenhaus zusammengebrochen war. Die jüngste der D’Angelo-Schwestern hatte am Tag zuvor erfahren, dass ihr Verlobter sie betrogen und belogen hatte.
Jo seufzte. Sie hatte vorgehabt, den ganzen Tag im Bett zu verbringen, vor sich hin zu grübeln und vielleicht die Packung Eiscreme aufzuessen, die sie noch im Gefrierschrank hatte. Doch dieser Plan war von dem Anruf ihrer drei Schwestern rasch vereitelt worden. Jo ahnte nämlich, dass die anderen beiden mithörten, obwohl Ashley bisher die Einzige war, die mit ihr gesprochen hatte.
„Wie hast du das herausgefunden?“ Sie hatte geglaubt, ihren Eltern unmissverständlich klargemacht zu haben, dass ihre aufgelöste Verlobung etwas war, was sie ihren Schwestern selbst sagen wollte – vielleicht im Juni, wenn sie den ersten Schock überwunden hatte.
Unglücklicherweise fiel es Max und Colleen D’Angelo sehr schwer, den Mund zu halten. Sie fanden, dass Familien in Krisenzeiten zusammenhalten sollten, und Jos größere Schwestern hatten diese Lektion offenbar gut verinnerlicht.
„In dieser Familie kann man eben nichts lange geheim halten“, erwiderte Ashley trocken und bestätigte damit Jos Vermutung. „Ich verstehe allerdings nicht, warum du es uns nicht selbst gesagt hast. Du hättest uns sofort anrufen sollen, als du entdeckt hast, dass James dich betrügt.“
„Warum?“, brummte Jo. „Damit ihr nach Boston kommt und ihn persönlich lyncht?“ Erschrocken stellte sie fest, dass dieses Bild ihr eine gewisse Genugtuung bereitete. Seit wann – um Himmels willen – war sie so blutrünstig?
„Nun ja, wäre doch angebracht, oder?“, meinte Ashley sarkastisch.
„Das ist genau der Grund, warum ich euch nicht angerufen habe“, erklärte Jo, während ihr ein Schauer über den Rücken lief. Bei Ashley konnte man nie wissen, sie war zu allem fähig. „Ich gehe mit Krisensituationen gern auf meine Weise um. Außerdem bin ich nicht wild auf euer Mitgefühl und habe schon gar nicht vor, einfach davonzulaufen. Es war schon demütigend genug, James mit einer anderen Frau im Bett zu erwischen. Ich werde mich nicht auch noch von ihm aus der Stadt jagen lassen. Mein Leben ist hier in Boston, und das werde ich nicht irgendeines Schuftes wegen ändern.“
James’ Betrug machte sie erst recht entschlossen, in Boston zu leben. Viel zu lebhaft hatte er die Erinnerung an einen anderen Mann geweckt, den sie einst geliebt und der sie damals ebenfalls betrogen hatte. Im Übrigen war jener Mann auch der Grund dafür, warum sie niemals mehr ins Rose Cottage, das Haus ihrer Großmutter in Virginia, zurückkehren wollte.
„Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich nachgeben und herkommen“, schaltete Maggie sich jetzt ein.
„Ja“, fügte Melanie hinzu. „Sonst fahre ich nach Boston und hole dich persönlich.“
Jos Lachen ging in ein Schluchzen über. Auch sie hatte seinerzeit jede der drei Schwestern gedrängt, ins Rose Cottage zu fahren, als sie eine Krise durchstehen mussten. Jetzt bereute sie es. Wie sollte sie ihren Schwestern erklären, dass die Dinge bei ihr anders lagen? Dass ein Rückzug ins Rose Cottage ihr nicht helfen, sondern alles nur noch schlimmer machen würde? Dann müsste sie das Geheimnis preisgeben, das sie so viele Jahre vor ihnen verborgen hatte, und der Ärger würde erst richtig beginnen.
„Ich kann nicht“, flüsterte sie. Für Ashley, Maggie und Melanie mochte das Rose Cottage in den schwierigen Momenten der richtige Platz gewesen sein. Das Haus ihrer Großmutter war jedoch der Ort, an dem ihr Herz zum ersten Mal gebrochen worden war. Wie konnte es dort heilen, wenn die Schatten der Vergangenheit sie dort verfolgen würden? Und nicht nur die Schatten – sie lief auch Gefahr, dem Mann, den sie mehr als ihr Leben geliebt hatte, tatsächlich zu begegnen.
„Ich hätte gern gewusst, warum nicht“, erwiderte Ashley. „Wenn du keinen Urlaub nehmen kannst, dann kündige eben.“
„Meine Arbeit ist nicht das Problem“, meinte Jo kläglich, obwohl es sie nicht überraschte, dass ihre älteste Schwester daran als Erstes dachte. Selbst jetzt, da sie verheiratet war, hatte Arbeit noch immer einen großen Stellenwert in Ashleys Leben.
„Was ist es dann?“, fragte Ashley.
„Ich bin hier einfach besser aufgehoben“, behauptete Jo und wusste, wie wenig überzeugend ihre Antwort klingen musste. Auf keinen Fall
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