Gefaehrliche Versuchung
Süßeres, Weicheres. Etwas, das sie miteinander verband. Sie passte so perfekt unter sein Herz, ihr Körper war zart und nachgiebig, ihr Haar wie Seide. Ihr Geruch hatte sich verändert. Früher hatte sie nach Sommerblumen und Sonnenschein geduftet. Nun roch sie nach exotischen Blumen, und es war ein Duft, bei dem jeder Mann erschauderte. Ihr Mund, dieser breite, lachende, sinnliche Mund, fing ihn ein, und er tauchte nur allzu gern hinein.
Hier in der tiefen Nacht, in der die Dunkelheit am östlichen Horizont begonnen hatte, langsam zu verblassen, hätte er schwören können, den alten Bach zu hören, der in ihrer Schlucht vorbeigeplätschert war. Er hätte fast den Sonnenschein auf seinen Schultern gespürt, auch wenn es noch zu früh für die Morgendämmerung war. Er schmiegte sich an Kates Körper, als würde er dahinschmelzen.
Für ihn geschah das alles innerhalb einer Sekunde. Nach zwei Sekunden fing sie an, sich zur Wehr zu setzen. Obwohl er damit gerechnet hatte, war er doch über ihre Wildheit erstaunt. Sie benutzte ihre Knie, Ellbogen und Fingernägel. Sie bockte und trat, knurrte wie eine wilde Katze. Nicht vor Angst, nicht vor Panik – Harry wusste, wie sich das anhörte und anfühlte –, sondern vor Wut, vor Verzweiflung und vor Schmerz wegen der Dinge, die ihr angetan worden waren, und dem, was ihr geblieben war.
Und die ganze Zeit über hielt Harry sie fest. Nicht mit Kraft – Kate würde von ihm niemals Gewalt erfahren. Er hielt einfach ihrer Wut stand und hoffte, dass ihr, wenn sie sich beruhigte, klar werden würde, dass seine Arme ein Bollwerk gegen Angst und Schmerz waren und kein Gefängnis, das diese Empfindungen schuf.
Er wusste nicht, wie lange sie kämpfte. Er wusste, dass er am Morgen blaue Flecke haben würde. Dennoch hielt er sie umschlungen – sanft, aber bestimmt – und liebkoste ihren Mund, stahl sich Kuss um Kuss, eroberte sie Stück für Stück, liebevoll und beruhigend mit Lippen und Zunge, verführend, abwartend, einen Arm um ihre Taille gelegt, die andere Hand in ihren Nacken gelegt, sodass sie bleiben musste.
Er wusste, dass es ein Risiko war, denn am Ende könnte sie ihn hassen und ihn nie mehr an sich heranlassen. Doch er konnte nicht zulassen, dass sie sich in ihre harte, einsame Schale zurückzog. Er musste ihr zeigen, dass sie nicht mehr allein war.
Endlich spürte er, wie sie sich ergab. Ihre Kraft ließ nach, ihr Protest erstarb. Er fühlte, wie ihre Lippen weicher wurden, sich schließlich ein Stückchen für ihn öffneten, um ihn willkommen zu heißen. Er fühlte, wie ein Zittern sie ergriff, Muskel für Muskel, während ihre beängstigende Beherrschung sich auflöste. Und endlich, endlich schmeckte er das Salz von Tränen auf seiner Zunge, und Kate begann zu schluchzen.
Erst in dem Moment beendete er seinen Kuss. Sanft und bedächtig drückte er ihren Kopf an seine Brust und hielt sie fest umschlungen. Er sagte kein Wort, hielt sie nur fest, während ihr Körper unter ihrem Schluchzen erzitterte. Er hielt sie fest, während zehn Jahre voller Schmerz, Hass und Angst in ihr hochkamen und aus ihr herausbrachen. Er hielt sie fest, während sie dem nachweinte, was nie gewesen war, was erlitten worden war, was verwirkt worden war. Er hatte sie schon einmal enttäuscht. Dieses Mal würde ihm das nicht wieder passieren.
Als wäre sie einen Berg hinuntergestürzt und würde sich aufmachen, ihn erneut zu besteigen, fing Kate schließlich an, wieder Haltung anzunehmen. Harry konnte es spüren, als würde sie sich wieder aufbauen, nach und nach ihre Stärke, Haltung und Würde wiedergewinnend. Er wusste, dass ihm nur noch wenige Momente blieben, um sie zu trösten, ehe es zu unbehaglich werden würde, und er genoss jeden einzelnen Augenblick. Ihre Locken an seiner Wange, ihre Tränen, die er an seinem Hals spürte, ihren leidenschaftlichen Stolz, der sie stärkte, wenn alles andere verloren war. Ihm wurde bewusst, dass er wie eine Mutter, die ihr Kind beruhigte, summte. Er streichelte über ihr seidiges Haar, atmete ihren exotischen Duft ein und hoffte, dass sie seine Wärme annahm.
Selbst wenn er sie nicht gekannt hätte, hätte er sie festgehalten. Schon vorher hatte er trauernde Frauen umarmt. Aber nach allem, was sie geteilt und verloren hatten, seine Kate wieder so in den Armen zu halten, das war eine Ehre und eine Last zugleich. Es war ein Privileg, von dem er wusste, dass es nur wenigen zuteil wurde. Wenn sie ihn auch nie wieder so nahe an sich heranlassen
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