Seidig wie der Tod
1. KAPITEL
E s war Weihnachtszeit in New Orleans. Festliche Beleuchtung glitzerte an den Häuserfronten von St. Charles, an den schmiedeeisernen Balkongittern und mächtigen alten Eichen des Stadtparks, an den altmodischen Straßenbahnen und an der
Creole Queen
auf dem Fluss.
Weihnachtslieder, melancholischer Blues und Jazz drangen aus den offenstehenden Eingangstüren auf der Bourbon Street. Neben den üblichen Schaustellern auf dem Jackson Square hatten Musiker die Straßenecken im Französischen Viertel besetzt und entzückten Käufer und Passanten mit ihren Liedern von Schlitten, Engeln und anderen weihnachtlichen Wundern.
Inmitten all dieser Festbeleuchtung lag Roman Falconers Stadthaus, düster wie das Innere eines Sargs. Das Haus im Französischen Stil, dessen feuchte Backsteinmauern im Verlauf der Jahre zu einem hellen Rosaton verblasst waren, verfügte an der Vorderfront über mehrere kunstvoll geschmiedete Balkone und ging hinten auf einen geschlossenen Hof hinaus. Roman hatte dieses Haus, dem der Ruf anhaftete, dass es darin spukte, mit den Tantiemen seines ersten Bestsellers,
Jazzman’s Blues
, erstanden.
Gespannt wie ein Sechsjähriger, der die Ankunft des Weihnachtsmanns erwartet, war Roman in seiner ersten Nacht in diesem alten Haus bis zur Morgendämmerung aufgeblieben und hatte auf eine Erscheinung des Geists gewartet, der der Legende nach in diesem Haus umging.
Fünf Jahre später wartete er noch immer.
Ein Hof umgab den Vollmond, der einen gespenstischen Schein auf die verwitterten Eingangsstufen warf. Der blasse Schimmer, der unheimlich und beklemmend wirkte, entsprach Romans finsterer Stimmung.
Sein Kopf dröhnte, und seine Hände zitterten, als er die moosgrüne Eingangstür aufschloss.
Einmal im Haus schleppte er sich mit schweren Schritten über die Treppe zu seinem Arbeitszimmer, wo er sich eine Flasche irischen Whiskey und ein Glas nahm, das er bis zum Rand vollschenkte.
Der Computer war noch eingeschaltet. Das phosphoreszierende Licht des Bildschirms erfüllte den Raum mit einem geisterhaften grünen Glühen. Roman bemühte sich nicht, die Worte auf dem Bildschirm zu entziffern. Sie waren ihm nur allzu gut bekannt.
Er nahm einen großen Schluck, fühlte die scharfe Flüssigkeit durch seine Kehle brennen und zwang seinen Körper und seinen ruhelosen, gequälten Geist, sich zu entspannen. Aber das war alles andere als einfach angesichts dessen, was er wusste.
Irgendwo im Südpazifik wurde Desiree Dupree von einem modernen Piraten festgehalten, der im Schutz der Nacht ihr schnittiges weißes Segelboot gekapert und sie seinen hemmungslosen Leidenschaften unterworfen hatte, die sogar noch bedrohlicher waren als dieser gefährlich attraktive Mann selbst.
Anfangs hatte sie sich gewehrt, hatte gekratzt, geschlagen und um Hilfe geschrien, obwohl sie wusste, dass niemand in der Nähe war, der sie hören würde. Zum Schluss war ihr nichts anders übrig geblieben, als sich zu ergeben.
Sie lag auf dem Rücken auf dem glatten Teakholzdeck, die Hände über dem Kopf an den weißen Mast gefesselt. Ihre Augen waren geschlossen, und jede Faser ihres Körpers prickelte, als die sündig geschickten Hände ihres Eroberers Kokosnussöl in ihre nackte Haut massierten.
Seine Stimme war leise und verführerisch, als er ihr all das ins Gedächtnis rief, was er ihr bereits angetan hatte, und ihr beschrieb, war er sonst noch alles mit ihr zu tun gedachte – skandalöse, unerhörte Dinge, die Desiree beschämten und erregten.
Unter halbgeschlossenen Lidern sah sie, wie sein gutgeschnittener Mund sich langsam ihren eingeölten Brüsten näherte.
Sein dunkler Kopf glitt tiefer, und eine erwartungsvolle Hitze erfasste ihre Glieder, als hielte der Fremde ein glühendes Eisen an ihre erhitzte Haut.
Sie holte tief Atem.
Und wartete.
Das schrille Klingeln des Nachttischtelefons zerriss die Stille und beendete Desirees erotischen Traum.
Ärgerlich nahm sie den Hörer auf. „Dupree“, meldete sie sich unfreundlich.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang jedoch auch nicht gerade liebenswürdiger. „Schon wieder eine Vergewaltigung. Auf dem St. Louis Cemetery. Sieht aus, als wär’s wieder unser Mann gewesen.“
„Wann?“ Plötzlich hellwach sprang Desiree auf und nahm den Apparat mit zum Kleiderschrank.
„Ich habe es gerade im Polizeifunk gehört. Gut, dass ich den Apparat angelassen hatte, nicht?“, meinte Adrian Beauvier, ihr Produzent bei WSLU-TV.
„Ja“, stimmte Desiree
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