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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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mit dem gleichen Ausdruck an.
    Gunt versuchte nicht, ihren Blicken standzuhalten. »Die Alternative lautet: sie oder wir«, sagte er ärgerlich. »Es tut mir leid, aber es ist eine Frage des Überlebens!«
     

21
     
    Die Lebensbedingungen, pflegte Doktor Wallis seinen Leuten gern zu sagen, könnten sich kaum noch verschlechtern …
    Eines Nachts gegen Ende des Winters erwachten sie von einem schrillen, hohen Geräusch und dem Plätschern fließenden Wassers. Geräusche dieser Art hatte es weder in ihrer lebendigen Erinnerung noch in der vom Spiel überlieferten Geschichte des Schiffes je gegeben, und so krabbelten sie aus ihren Haardecken und Pflanzenfaserlumpen und liefen zum Vorschiff, von wo die Geräusche zu kommen schienen. Trotz der Finsternis rannten sie schnell und ohne zu stolpern, denn sie kannten jeden Fußbreit des Weges, die Höhe und Lage jeder wasserdichten Tür und die genaue Position des Inhalts in jedem Tank. Seit langer Zeit hatte es an Bord keine Umgestaltungen mehr gegeben.
    In Nummer vier stießen sie auf Wasser, ein langsames eisiges Rinnsal, das über die rostigen Bodenplatten lief, sich achtern sammelte und wegen der leichten Schräglage des Wracks am Durchstieg zwischen Vier und Fünf staute. Am Eingang zum Tank drei hatte der Stau die Höhe der Schwelle erreicht, und sie wateten durch knietiefes Wasser. Genauso war es am Eingang zu Nummer eins, nur ergoß sich das Wasser hier in breitem Strom über die Türschwelle, und von der vorderen Wand des Tanks kam ein Rauschen wie von einem kleinen Wasserfall. Aber es wurde von einem regellosen Ächzen und Kreischen übertönt, wie es Metall hervorbringt, wenn es bis an die Grenze seiner Elastizität beansprucht wird. Das Deck unter ihren Füßen schien zu erbeben.
    »Alle zurück!« schrie der Doktor. »Hier ist nichts, was zu retten sich lohnte. ‘Raus!«
    Er stellte sich neben die wasserdichte Tür und zählte die vorbeilaufenden Gestalten. Sie waren nicht zu sehen, aber jede bildete einen Mittelpunkt keuchenden Atmens und platschender Tritte in der Dunkelheit. Fünf von ihnen passierten die Tür, bevor die vordere Wand nachgab. Scharfes, metallisches Kreischen, ein furchtbares hohles Gurgeln, und plötzlich fühlte er sich vom Wasser mitgerissen und durch die Türöffnung gespült. Die rostige Türkante prallte mit schwerem Schlag gegen seine Hüfte und den Oberschenkel. Dann war die Flut so plötzlich verschwunden wie sie gekommen war. Wallis rappelte sich auf und untersuchte die Tür.
    Trotz der festgerosteten, unbeweglichen Scharniere, hatte das Gewicht des hereinschießenden Wassers die Tür zugeworfen und sich selbst den Weg versperrt. Aber die Tür war nicht mehr völlig wasserdicht. Der Rost hatte ihre Kanten angefressen, die Gummifütterungen waren brüchig und hart geworden. Wallis behutsam tastende Finger entdeckten ein dünnes, feines Sprühen, das mit hohem Druck aus dem Spalt rings um die Tür gepreßt wurde. Die Wand zwischen dem vollaufenden Tank eins und Tank zwei begann unter dem steigenden Wasserdruck alarmierend zu knistern.
    »Zurück nach Vier!« rief der Doktor. »Zwei und Drei müssen wir aufgeben. Aber seht zu, daß ihr die Tür dicht bekommt. Kratzt den Rost ab, hämmert ihn los, tut was ihr könnt! Aber beeilt euch!«
    Zwei und Drei waren Ballasttanks, und wenn einer von ihnen wasserdicht blieb, während der andere vollief, mußte es im geschwächten Material des Schiffes zu Spannungen und Belastungen kommen, die leicht das ganze System der Tanks aufreißen konnten. Die Überflutung beider Tanks würde den Druck gegen die vordere Wand von Tank vier gleichmäßig verteilen. Sie würde ihn aber auch verdoppeln.
    Wie die anderen wasserdichten Türen zwischen den Tanks war auch diese ständig offengehalten worden, um die Luft frei zirkulieren zu lassen, und wie die andere war sie in dieser Stellung festgerostet. Um die rostigen Verkrustungen zu lösen, mußten sie die Tür und ihren Rahmen mit Schrottmetall abklopfen und dann Scharniere und Türkanten sauberkratzen. Sie gebrauchten Feilen, die selbst nicht viel mehr als rostige Stäbe waren, Holzstücke und sogar ihre Fingernägel, und die Verletzungen, die sie einander in Dunkelheit und Konfusion beibrachten, waren zum Teil ernst. Das Wasser stieg ständig, und das Sprühen in Tank zwei verstärkte sich zu einem meterweit spritzenden Wasserfächer. Als sie die Tür, an der sie arbeiteten, probeweise schlossen, um die Dichtheit zu prüfen, staute sich hinter ihr so rasch

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