Geliebte Nanny
weißt du auch nichts über ihn, außer dass du ihn sexy findest. Aber wer weiß, vielleicht ist er ja in Wirklichkeit ein engagierter Umweltschützer oder ein anständiger Millionärssohn, der kranke Kinder in Entwicklungsländern finanziell unterstützt. Dummerweise hast du ihm keine Chance gegeben, dir sein wahres Gesicht zu zeigen.«
»Hmm..., meinst du?« Ach was. Jetzt hat sie mich völlig aus dem Konzept gebracht.
Ist ja auch egal. Wie ich bereits mehrmals erwähnte, brauche ich gegenwärtig sowieso keinen Mann. Ich konzentriere mich derzeit lieber auf das Wesentliche in meinem Leben, nämlich darauf meine Mission als Engel z u erfüllen. Warum eben nicht als Nanny, bei einer Millionärsfamilie? Wenn ich den Kindern damit was Gutes tun kann.
Am nächsten Morgen wache ich viel früher auf als sonst. Heute steht mir das Vorstellungsgespräch bei dieser Familie von und zu Dingsbumshausen bevor. Ich bin so was von aufgeregt. Vorstellungsgespräche lösen von jeher Panik in mir aus und gehören deswegen nicht unbedingt zu den Dingen, die mir besonders leicht fallen. Im Gegenteil, ich habe ständig Angst, kein Wort herauszubekommen und völlig idiotisch vor meinem potentiellen Arbeitgeber zu stehen.
Im Vorfeld habe ich neugierigerweise ein paar Recherchen im Web getätigt und besagte Familie samt Nobeladresse gegoogelt. Man will ja schließlich wissen, mit wem man es zu tun hat. Mir fiel fast die Kinnlade herunter, als mir die sagenhafte Familienchronik ins Auge stach. Bei der unwirschen Dame, neulich am Telefon, handelt es sich nämlich um eine waschechte Millionenerbin mit adeligen Vorfahren. Claudia Freifrau von Degenhausen. Ihr Ehemann Arndt von Degenhausen geborener Vorschulze (er hat den Familiennamen seiner Frau angenommen) ist ein Geschäftsmann mit Harvard - Abschluss (wie es in der Firmen - Homepage geschrieben steht) und seit dem Tod seines Schwiegervaters, Heinrich Freiherr von Degenhausen, Chef eines bekannten Schmuckkonzerns, der von Degenhausener Gold & Silber GmbH . Ein Familienunternehmen, das seinen Anfang (seinerzeit als kaiserliche Goldschmiede) im späten Mittelalter nahm und heute einen Umsatz von mehreren Millionen Euro im Jahr verzeichnet.
Ganz nebenbei betreibt die gute Freifrau von Degenhausen eine Wellness - Oase der Luxusklasse mit allem Pipapo. Beispielsweise die isländische Schlammpackung, die exquisite Schokoladendusche oder das fürstliche Cleopatrabad, wobei sich die Preise auch ordentlich gewaschen haben. Laut Homepage. Und logischerweise gehören Prominente und Millionärsgattinnen zur bevorzugten Kundschaft.
Während ich mir zum wiederholten Mal die glamouröse Homepage anschaue, stelle ich mir in Gedanken vor, das Privileg zu genießen, mich in diesem erstklassigen Spa, einer beglückenden Ganzkörpermassage hinzugeben und dazu ein paar Gläser Champagner zu schlürfen. Am liebsten natürlich auf Kosten des Hauses. Ob einer Nanny wohl ein Wellness - Tag zu vergünstigten Konditionen eingeräumt wird? Wobei, eigentlich mag ich gar keinen Champagner, dieser komische Nachgeschmack erinnert mich so ungemein an Schimmelpilz.
Innerlich bin ich erregt. Was, wenn ich tatsächlich diesen Job bekäme? Melissa Bogner – Nanny bei Familie Millionär . Klingt nicht übel.
Eine halbe Ewigkeit habe ich verzweifelt den Inhalt meines Kleiderschranks durchwühlt. Der erste Eindruck ist schließlich der Wichtigste, und ich will ja alles richtig machen, bei der Garderobe für’s Vorstellungsgespräch.
Ein komplettes Outfit muss bei mir immer perfekt aufeinander abgestimmt sein. Sowohl die Formen als auch die Materialien müssen fließend ineinander übergehen. Die Schuhe sollten natürlich auch nicht aus der Reihe fallen. Ich bekomme eine Krise, wenn meine Klamotten optisch nicht zusammenpassen. Dabei vermeide ich allzu viele extravagante modische Highlights und setze lieber auf zwei bis drei zweckmäßige Accessoires. Also konkret bedeutet das, dass ich zu den experimentier - unfreudigen Leuten gehöre und es tunlichst vermeide, mit fragwürdigen Trends aufzufallen. Ich bevorzuge das klassisch Elegante, am allerliebsten Ton in Ton. Ein weiteres meiner zwanghaften Bedürfnisse, die ich ausleben muss: Akribisches Klamottenkombinieren.
Manche Leute könnten jetzt behaupten, ich sei ein bisschen gaga. Aber dafür werde ich bestimmt niemals auf jenen Seiten landen, wo diese chronischen Kritiker mannigfaltiger Klatschblätter schlechtgekleidete Leute abbilden (zumeist Promis) und
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