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Geliebter der Nacht

Titel: Geliebter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin T. Popp
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hüllte.
    Für Werwölfe war die Woche vor Vollmond grundsätzlich die schlimmste. Das Tier in ihnen gewann an Kraft und weckte einen kaum beherrschbaren Fortpflanzungsdrang. In menschliche Terminologie gefasst: Lexi war zickig
und
geil.
    Würde sie noch bei ihrem Rudel im ländlichen Norden des Staates New York leben, hätte sie einfach ihre Wolfsform angenommen und die nächste Woche damit verbracht, zu jagen und sich mit jedem verfügbaren Männchen zu paaren. Diese Option bot sich ihr hier in der Stadt allerdings nicht. Sie hatte Rechnungen zu bezahlen und musste Essen kaufen, und für beides brauchte sie Geld, das sie nicht verdiente, wenn sie sich einmal im Monat für eine Woche freinahm. Und wer mit schöner Regelmäßigkeit krankfeierte, behielt keinen Job besonders lange. Lexi aber wollte ihren Job behalten, war es doch endlich einmal einer, der richtig gut zu ihr passte: Kopfgeldjägerin.
    Sie schlug die Decke zurück und kämpfte sich aus dem Bett. Einige Minuten streckte sie sich, um all die Muskeln zu lockern, die sich tags zuvor bei der Jagd nach vier Kautionsflüchtlingen vor Anstrengung verspannt hatten. Die Verbrechenszahlen in der Stadt explodierten, daher gingen Lexis Geschäfte besser denn je.
    Sie schlurfte zum Fernseher und schaltete sich durch die Kanäle, bis sie bei den Nachrichten landete. Die Meldungen wurden zurzeit immer niederschmetternder. Die Welt – oder zumindest Lexis kleiner Bereich im Big Apple – schien tatsächlich vor die sprichwörtlichen Hunde zu gehen. Erst gestern Abend war es wieder zu einem Bandengefecht im Central Park gekommen, bei dem fünf Teenager starben und drei weitere schwer verletzt wurden. In Murray Hill, einem noblen Viertel, in dem der alte Geldadel wohnte, war ein Vierzehnjähriger durchgedreht und hatte seine Eltern und seine jüngere Schwester erschossen, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. In Soho war ein Mann während eines Streits mit dem Messer auf seine Freundin losgegangen und hatte sie und das gemeinsame ungeborene Kind getötet. Außerdem wurden weitere fünf Menschen vermisst, womit sich die Zahl mysteriöser Vermisstenfälle auf dreiundzwanzig während der letzten vier Wochen summierte. Die Polizei hatte nach wie vor keinerlei Hinweise auf mögliche Zusammenhänge oder darauf, was mit den Leuten geschehen war. Desgleichen nahmen die Straßenüberfälle ebenso zu wie die Zahl der Vergewaltigungen, weshalb die offiziellen Stellen der Bevölkerung rieten, nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr herauszugehen – zum Verdruss der örtlichen Nachtclubbesitzer, die ihre Gäste mit zusätzlichen Spezialangeboten lockten.
    Lexi wechselte den Sender und sah einen Reporter, der vor dem Rathaus stand und das Neueste zu den Gerüchten vermeldete, die Stadtverwaltung würde diskutieren, wie sinnvoll es wäre, die Nationalgarde zu rufen, damit sie Tag und Nacht durch die Straßen patrouillierte. Kopfschüttelnd schaltete Lexi zum nächsten Programm, wo ein Fernsehprediger seine Gemeinde aufrief, eine Petition zu unterschreiben, mit der sie eine Verschärfung der Wandlungsrechte verlangten, weil die Vampire, wie er meinte, seit sechs Monaten immer mehr würden.
    Schließlich stellte Lexi den Fernseher ab und ging ins Bad. Hatte sie allen Ernstes geglaubt, mit dem Umzug in die Großstadt der rohen animalischen Gewalt zu entkommen, die das Leben im Rudel bestimmte? Wie es aussah, hatte sie lediglich die eine Gewalt gegen eine andere, dunklere Art davon eingetauscht, obwohl sie sich nicht erinnerte, dass es vor fünf Jahren so schlimm gewesen war. Eigentlich erst in letzter Zeit, wenn sie es sich recht überlegte.
    Sie stand vor dem Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Ihre hellgrauen Augen wirkten müde, denn gestern Abend hatte sie sich von ihrer Freundin Heather überreden lassen, zu einem besonderen Treffen mitzugehen. Wie Lexi war auch Heather eine Hexe, doch während Lexi am liebsten für sich war, gehörte Heather einer Vereinigung an, die sich »Hexenzirkel des Lichts« nannte. Wie dem auch sei, gestern Abend war es sehr spät geworden, als alle darüber gesprochen hatten, wie sie auf die wachsende Verbrechensrate reagieren sollten. Der Zirkel glaubte, dass es sich um das Werk eines mächtigen Dämons handelte, der das empfindliche Gleichgewicht von Lebens- und Todesmagie störte.
    Lexi hatte keine Ahnung, wer dieser übermächtige Dämon sein sollte, und offen gesagt fiel es ihr schwer, die apokalyptischen Mahnungen des Zirkels ernst zu

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