Geliebter der Nacht
von weit, weit weg. »Nicht … körperliche Liebe … Genuss … vergessen …«
Sekhmets Zauber erstarb in ihrer Kehle, als sie sich allein in ihrem Audienzzimmer wiederfand und auf die Stelle starrte,
an der ihr geliebter Darius noch eine Sekunde zuvor gestanden hatte.
»Darius!«, schrie sie. »Erscheine mir!« Sie hielt den Atem an, wartete und lauschte ihrem pochenden Herzen. Als er nicht kam, packte sie eine eisige Furcht. Seine unsterbliche Lebensessenz war nicht gänzlich wiederhergestellt worden, was bedeutete, dass er sehr, sehr nahe daran war, sterblich zu werden. Deshalb stieß ihn Ravenscroft aus!
»Whitley!«, rief sie, weil sie etwas tun musste, um Darius zu warnen, ihm irgendwie mitzuteilen, dass er verwundbar war, und sie hoffte inständig, der Priester würde ihr dabei helfen. Unruhig rannte sie hin und her und überlegte, welche Möglichkeiten sie besaß. Sie konnte Darius unmöglich selbst folgen – dafür hatte Ra gesorgt, bevor er seine Macht endgültig einbüßte –, aber sie konnte Whitley alles erkären, und vielleicht half er ihr, Darius in seinen Träumen zu ihr zurückzubringen.
Sie hörte die laufenden Schritte des Mannes, der vor Tausenden von Jahren ihr Liebhaber gewesen war. Wie erbärmlich, dass sie, die Göttin, die von Sterblichen wie Gottheiten gleichermaßen gefürchtet wurde, Angst vor der Reaktion ausgerechnet dieses Mannes hatte!
Hastig überlegte sie, was sie ihm sagen sollte. Vor allem wusste sie nicht, wie sie ihm das von dem abgebrochenen Zauber erklären sollte. Whitley war ein Mann und könnte folglich nie verstehen, warum eine Frau ihr Kind um jeden Preis vor den Verlockungen fleischlicher Lust beschützen wollte.
Wie viel von ihrem Zauber hatte Darius noch berührt, ehe er verschwand? Schlimmer noch: Was mochte der unvollständige Zauber anrichten?
»Herrin, geht es Euch gut?«, fragte Whitley, als er hereingelaufen kam. Sobald er sah, dass sie unter sich waren, ließ er die Förmlichkeiten beiseite, ging auf Sekhmet zu und nahm sie in die Arme. »Was ist mit dir, Liebes?«
»Darius ist weg! Er zerbrach die Kugel und wurde auf die Erde geholt.«
»Ist schon gut«, tröstete Whitley sie. »Er muss die Menschen beschützen.«
»Nein, es ist nicht gut!«, erwiderte sie. »Seine Lebensessenz drang nicht so in seine Seele, wie sie sollte. Stattdessen wurde sie von seiner einzigartigen Magie zu einem Tattoo gewandelt. Er hat seine Unsterblichkeit verloren, und niemand weiß, welchen Einfluss das auf seine übrigen Kräfte hat.«
»Und er ist auf der Erde, wo ihn ein mächtiges Übel erwartet.« Whitley betrachtete Sekhmet so verärgert, dass sie beschämt den Blick senkte.
»Es ist meine Schuld«, sagte sie unglücklich. »Ich wollte ihn doch nur beschützen!«
»Ruf ihn zurück!«, befahl Whitley.
»Kann ich nicht. Ich hab’s schon versucht.«
Er wurde noch wütender.
»Dann schick mich zurück auf die Erde, damit ich ihn warnen kann!«
Das aber würde bedeuten, dass Whitley wieder sterblich wurde, und der Gedanke, beide Männer in ihrem Leben zu verlieren, war Sekhmet unerträglich. Andererseits war sie gerührt, dass er bereit war, seine Unsterblichkeit für ihren Sohn zu opfern. »Es könnte einen anderen Weg geben – vorausgesetzt, du hilfst mir.«
»Natürlich helfe ich dir! Was soll ich tun?«
Eilig erklärte sie ihm, was sie vorhatte, konnte ihm dabei allerdings nicht in die Augen sehen.
Whitley war jemand, der sich durch nichts aus der Fassung bringen ließ, und so wartete er auch nach ihren Ausführungen zunächst geduldig ab und betrachtete sie ruhig. Schließlich holte sie tief Luft und sah ihn an. Sie hatte Tränen in den Augen. »Da könnte es noch ein anderes Problem geben.«
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Kapitel 1
D er gewaltige Krach riss Lexi Corvin aus einem tiefen Schlummer. Benommen und stinksauer wachte sie auf und hätte am liebsten die dämliche Uhr von der Wand gerissen, um sie geradewegs aus dem Fenster ihrer Wohnung im fünften Stock zu schleudern. Leider konnte sie sich weder eine neue Uhr noch die Reparatur einer zerschmetterten Fensterscheibe leisten. Also beschränkte sie sich darauf, mit der Faust auf den Schlummerknopf zu hämmern, um den Lärm abzustellen.
Sie widerstand dem Wunsch, gleich wieder einzuschlafen, öffnete missmutig die Augen und blinzelte angesichts des strahlenden Sonnenscheins, der durch die Vorhänge ins Zimmer fiel und Lexis schlechter Laune spottete, indem er alles in ein ärgerlich munteres Licht
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