Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)
dass es richtig war, was er tat, und dass er hierher gehörte. Die Fenstermalerei zeigte einen zugänglich wirkenden, weiß gekleideten Jesus mit ausgebreiteten Armen. Auf Jesus Schulter saß eine Taube, und zu seinen Füßen lagen ein Lamm, ein Hase und ein Rehkitz. Wenn die Sonne unterging, fielen ihre Strahlen direkt durch die Augen von Jesus Christus und bildeten im Inneren der Kirche einen Pfad aus Licht, auf dem die Staubpartikel tanzten. Noah hatte zwar keinen Betstuhl, auf dem er niederknien konnte, doch er stand vor diesem Bild und betete das schönste Gebet, das er kannte. Es war ein Gebet von Franz von Assisi.
O Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens …
In Noahs dritter Woche in Virgin River wurde Lucy in seine Obhut entlassen. Dr. Nathaniel Jensen überreichte ihm die Rechnung für die Behandlung. Noah faltete sie zusammen und steckte sie in die Tasche seiner Levis. Er wollte sie sich erst ansehen, wenn er Lucy nach Hause gebracht hatte. Als er dort angekommen auf die Abrechnung blickte, fasste er sich ans Herz. „Zum Glück habe ich dich heil heimgebracht“, sagte er zur Hündin. Lucy leckte ihm die Hand. „Erinnere mich daran, dass ich zukünftig immer gut auf die Straße achte, wenn wir gemeinsam in den Bergen unterwegs sind.“
Lucy war immer noch weit davon entfernt, ein verspielter junger Hund zu sein – sie musste weiterhin mit einer speziellen Ernährung, Vitaminen und Antibiotika aufgepäppelt werden. Die schwarz-weiße Border-Collie-Hündin, die vermutlich noch ein wenig von einer anderen Hunderasse im Blut hatte, hatte schöne große braune Augen, die herzergreifend traurig in die Welt gucken konnten. Noah kaufte ihr ein weiches Hundekörbchen, das er zwischen Wohnwagen und Kirchenbüro hin und her trug, um es ihrem schmerzenden Körper überall so angenehm wie möglich zu machen. Preacher hatte sich einverstanden erklärt, ihr zwei Mal am Tag eine spezielle Hühnchen-Reis-Mahlzeit zuzubereiten, weil Noah in seinem Wohnwagen in Hinsicht aufs Kochen sehr eingeschränkt war. Lucy schaffte zwar die drei Treppenstufen zur Veranda vor der Bar, wo sie viele ihrer Mahlzeiten einnahm, aber sie hatte schreckliche Mühe, die Stufen zum Kirchenbüro hochzukommen. Normalerweise endete es damit, dass Noah sie hinauftrug.
Da die Unterstützung beim Aufbau der Kirche bislang ausblieb, Noah sich um die Hündin kümmern musste und gleichzeitig nur langsam mit den Aufräumarbeiten vorankam, blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass er Hilfe brauchte. Also gab er, sobald die Telefonleitung stand, eine entsprechende Anzeige in der Zeitung auf.
Assistent/in für Pastorat gesucht.
Daraufhin erhielt er wesentlich mehr Anrufe, als er erwartet hatte. Doch sobald er die Fragen nach Arbeitsstunden und Gehalt beantwortet hatte, sagten die meisten Anrufer, dass sie sich wieder bei ihm melden würden. Die Anforderungen waren außergewöhnlich – Aufräumarbeiten und das Streichen der Wände gehörten ebenso dazu wie die übliche Büroorganisation –, was den meisten Bewerbern vermutlich zu viel Arbeit war, wie Noah vermutete. Er verabredete sich mit drei Frauen, die sich nicht die Mühe gemacht hatten, nach den Einzelheiten zu fragen. Mit Lucy, die neben dem alten Schreibtisch, den er gefunden hatte, in ihrem Körbchen saß, bereitete er sich auf das Bewerbungsgespräch mit der ersten Kandidatin vor.
Sie hieß Selma Hatchet und war eine korpulente Frau um die sechzig, die sich beim Gehen auf einen Stock stützte. „Sind Sie der Pastor?“, fragte sie.
„Ja“, sagte er und erhob sich. „Es freut mich, Sie kennenzulernen. Nehmen Sie bitte Platz.“ Er deutete auf den Stuhl vor seinem Tisch. Nachdem sie sich schließlich gegenübersaßen, erfuhr Noah, dass die Frau ihre Kinder und die Kinder ihrer berufstätigen Tochter großgezogen und sich in den letzten zwanzig Jahren bereits an einer Vielzahl ehrenamtlicher Projekte der presbyterianischen Kirche beteiligt hatte.
„Mrs Hatchet, die Stelle beinhaltet zwar die üblichen Sekretariatsarbeiten, aber im Augenblick ist sie auch mit harter körperlicher Arbeit verbunden. Ich brauche nicht nur Hilfe im Büro und in der Bibliothek, sondern auch beim Renovieren, Wände streichen, Spachteln und vermutlich auch beim Schleppen schwerer Gegenstände. Es entspricht vielleicht nicht so ganz den Aufgaben, die Sie suchen.“
Sie erstarrte und hob das Kinn. „Ich möchte Gottes Aufgaben erfüllen“, sagte sie schmallippig. „Ich bin bereit, die
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