Geschichte der deutschen Wiedervereinigung
moderne deutsche (und nicht nur das deutsche) Nationalbewusstsein von seiner Geburt im Aufstand gegen Napoleon 1813 bis zum Untergang von 1945 gestanden hatte. Das vereinigte Deutschland von 1990 war saturiert, und es vereinte erstmals Volkssouveränität und Freiheit, Einheit und Frieden – als gingen nach den katastrophischen Umwegen die Hoffnungen des 19. Jahrhunderts doch noch in Erfüllung.
Dabei ist die Welt des 21. Jahrhunderts eine ganz andere geworden. Schon die Wiedervereinigung von 1990 stand gegen die großen Tendenzen der Zeit, die sich mit Postmoderne, Europäisierung und Globalisierung vom Nationalstaat klassischer Prägung entfernten. In der entgrenzten Welt globalisierter Märkte und Ökonomien, sekundenschneller Informations- und Kapitalflüsse um den gesamten Erdball, angesichts neuartiger Bedrohungen und Risiken, Unübersichtlichkeiten und Abhängigkeiten stellen sich neue Anforderungen – weder das Denken der «alten Bundesrepublik» in den Kategorien automatischer Prosperität noch nostalgisch verklärte Traditionen unbezahlbarer sozialer Sicherheit werden sie meistern können.
Zugleich bedeutet Deutschlands «zweite Chance» ein historisches Vermächtnis. Die deutsche Revolution von 1989/90 war in erster Linie die Revolution der Bürger: für Freiheit und Selbstverantwortung anstelle von obrigkeitlichem Zwang und staatlicher Lenkung der Gesellschaft. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Demokratie und Wohlstand, Freiheit und Selbstverantwortung der Bürger, die ‹westlichen Werte› bleiben auch, ja gerade nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes eine stete Herausforderung.
Abkürzungen
ABC-Waffen
atomare, biologische und chemische Waffen
AfNS
Amt für Nationale Sicherheit (der DDR)
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
Art.
Artikel
CDU
Christlich Demokratische Union Deutschlands
CSSR
Tschechoslowakische Sozialistische Republik
CSU
Christlich-Soziale Union
DDR
Deutsche Demokratische Republik
DM
Deutsche Mark
EG
Europäische Gemeinschaft
FDP
Freie Demokratische Partei Deutschlands
KPdSU
Kommunistische Partei der Sowjetunion
KSZE
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
LDPD
Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (der DDR)
MfS
Ministerium für Staatssicherheit
NATO
North Atlantic Treaty Organization
NVA
Nationale Volksarmee (der DDR)
PDS
Partei des Demokratischen Sozialismus
SED
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SED-PDS
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
ZK
Zentralkomitee der SED bzw. der KPdSU
Anmerkungen zum Text
Der Text greift in der Argumentation und in Teilen auch in den Formulierungen auf meine «Geschichte der Wiedervereinigung» zurück, die 2009 unter dem Titel «Deutschland einig Vaterland» im Verlag C.H.Beck erschienen ist. Die Schreibweise der Quellenzitate wurde mit Rücksicht auf die Einheitlichkeit des Textes behutsam der neuen Rechtschreibung angepasst.
Kommentierte Auswahlbibliographie
Editionen
Documents on British Policy Overseas. Series III, Vol. VII: German Unification 1989–1990. Bearb. von Patrick Salmon, Keith Hamilton und Stephen Twigge. London 2009 (vor Ablauf der üblichen Sperrfristen publizierte Edition aus den Beständen des britischen Außenministeriums, die Thatchers und Mitterrands große anfängliche Skepsis ebenso belegt wie die mehr entgegenkommende Haltung des Foreign Office, die sich schließlich durchsetzte)
Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90. Bearb. von Hanns Jürgen Küsters und Daniel Hofmann. München 1998 (schon vor Ende der Regierungszeit Helmut Kohls publizierte Sonderedition von 430 Dokumenten aus den Beständen des Bundeskanzleramts, vor allem zur Rolle des Bonner Kanzleramts und von Bundeskanzler Kohl im Wiedervereinigungsprozess)
Die Einheit sozial gestalten. Dokumente aus den Akten der SPD-Führung 1989/90. Hg. von Ilse Fischer. Bonn 2009 (reflektiert die Breite der Positionen und die Zerrissenheit der westdeutschen SPD im Vereinigungsprozess)
Michail Gorbatschow i germanski wopros. Sbornik dokumentow. 1986–1991. Hg. von Alexander Galkin und Anatoli Tschernjajew. Moskau 2006. Dt. u. d. T.: Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991. Aus dem Russ. übertragen von Joachim Glaubitz und kommentiert von Andreas Hilger. München 2011 (Edition
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