Gier
Swing For The Crime
(The Saints, Brisbane 1978)
Ein Vorwort von Frank Nowatzki
Als ich beim Überfliegen der Rezensionen im britischen Magazin Crime Time den Namen Garry Disher als Geheimtip aus Down Under entdeckte, kam mir zuallererst die Kultband The Saints in den Sinn, dann Känguruhs, dann Foster’s, und dann erst mal nichts mehr. Es gab in den letzten Jahren sicherlich ein paar international erfolgreiche Highlights aus Australien, aber Crime Fiction? Aus dem Stegreif fiel mir nichts ein. In der Rezension wurde Garry Disher dann auch noch gleiches Kaliber wie Ed Bunker und James Ellroy bescheinigt. Das machte neugierig. Einige Kritiker sind mit derartigen Vergleichen zwar zu schnell zu Gange, aber eine Bemerkung hatte es mir ganz besonders angetan. Dort stand: ›Wer irgendwann mal sein Faible für Crime Fiction entdeckt hatte, aber inzwischen eigentlich nicht mehr so recht wußte, warum, insbesondere nach dem Durchforsten massenhaft unsäglicher Neuerscheinungen, dem würde es spätestens bei Garry Dishers Wyatt-Romanen wieder einfallen.‹ Ich wußte genau, wovon der Rezensent sprach, und er hatte tatsächlich nicht zuviel versprochen.
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In dem hier vorliegenden Debüt hat Garry Disher unter dem Motto ›Crime from the Insight‹ mit seinem sympathischen Berufsverbrecher Wyatt einen Antihelden erschaffen, der sich mit sorgfältig geplanten Raubüberfällen und Einbrüchen seinen Lebensunterhalt verdient. Wyatt ist eine Art Freelancer.
Er arbeitet auf eigene Faust, niemals für das organisierte Verbrechen. Er hat seinen Beruf zu einer Zeit erlernt, als es noch so etwas wie einen Ehrenkodex unter Kriminellen gab. In einer Welt, in der sich das Gesicht des Verbrechens aufgrund des steigenden Anteils von Drogendeals verändert hat – es ist globaler geworden, weniger berechenbar, und gewalttätiger –, lebt Wyatt in Anonymität und kämpft für seine Unabhängigkeit. Kreditkarten und elektronische Transaktionen anstelle von Bargeld, High-Tech-Überwachung und Alarmanlagen haben ihm das Leben schwergemacht. Der zynische Einzelgänger verläßt sich bei seinen krummen Touren auf so wenig Leute wie möglich, bekommt es aber in den bisher erschienenen sechs Romanen immer wieder mit den eigenartigsten Charakteren zu tun. Es gibt beängstigende Parallelen zwischen Kriminellen und Opfern. Mögen die Wege der Geldbeschaffung und der jeweilige Platz in der gesellschaftlichen Hackordnung noch so verschieden sein, die Antriebskraft ist bei allen die gleiche: Gier. Jeder hat Dreck am Stecken und versucht, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Garry Disher läßt den Plot präzise ablaufen und an den richtigen Stellen explodieren wie exakt dosierter Plastiksprengstoff am Schloß eines Safes. Man kann die Liebe zum Detail geradezu spüren, mit der er die Jobs für Wyatt geplant hat, als hätte der Autor selbst eine kriminelle Ader oder Vergangenheit oder zumindest Kenntnisse aus erster Hand. Es kann durchaus schmeichelhaft für einen Autor sein, wenn der Text so gut rüberkommt, daß derartige Spekulationen angestellt werden. Da es Garry Disher aber leid war, in fast allen Interviews und Leserbriefen mit diesem Aspekt konfrontiert zu werden, begann er über die spezielle Verbindung von Autor und Protagonist nachzudenken und schrieb die Short-Story My Brother Jack. Darin macht sein fiktiver Bruder Jack, alias Wyatt, für den Autor einen anonymen Angreifer ausfindig, der sich als ein enttäuschter Nachahmer der Autodiebstahlszene in Gier entpuppt und nicht wahrhaben will, daß es sich hier nicht um eine von Garry Disher in der Praxis erprobte Methode zur Beschaffung eines neuen Mercedes handelt, sondern um gut gemachte Crime Fiction.
Inspiriert wurde Garry Disher ganz klar von amerikanischen Vorbildern wie Richard Stark (alias Donald E. Westlake), der mit seiner Figur Parker mehrere erfolgreiche Romane verfaßte, die 1967 mit der John-Boorman-Verfilmung Point Blank (The Hunter) gekrönt wurden. Ich kann mich heute noch daran erinnern, wie ich als Dreizehnjähriger vor dem Fernseher saß und fast zu atmen vergaß, als der frisch aus dem Knast entlassene Walker (Lee Marvin) sich vor seinem Rachefeldzug erst mal eine Prostituierte aufs Zimmer holt und auf ihre Frage ›Wie hättest du’s denn gern, Kleiner?‹ mit einem gegrunzten ›Maul halten‹ antwortet. Auch den Don Siegel Film Charley Varrick von 1973 muß man erwähnen, grandios besetzt mit einem nicht aus der Fassung zu bringenden,
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