GK0031 - Sakuro, der Dämon
interessierte Sheila nur noch ein Mann. Kenneth Brandon.
Sie hatte ihn auf einer Party kennengelernt und war von seiner ruhigen, bescheidenen Art fasziniert gewesen. Kenneth war anders als die Typen, die sie vorher gehabt hatte, und er war vor allen Dingen nicht auf ihr Geld aus. Geld interessierte Kenneth nur sekundär. Er war in erster Linie Wissenschaftler. Genau wie sein Vater. Kenneth hatte Archäologie und Physik studiert und war trotz seiner dreißig Jahre schon in Fachkreisen als Kapazität bekannt. Auch sein Vater war Archäologe gewesen und hatte sogar schon eine Reihe von Fachbüchern veröffentlicht, vor allen Dingen über die Geschichte der alten Ägypter und Phönizier. Die Werke hatten in der Fachwelt Aufsehen erregt. Dr. Brandon hatte Theorien aufgestellt, die im ersten Moment unglaublich klangen, die er jedoch schließlich alle bewiesen hatte. Bis auf eine. Diese Theorie war eine Botschaft des Schreckens, sie war so grauenhaft, daß Dr. Brandon sie nicht veröffentlichen konnte. Er wollte damit noch einige Jahre warten, bis er auch den letzten Beweis hatte und die Welt für seine Ausführungen reif genug war. Doch über dieser Arbeit war Dr. Brandon gestorben. Der einzige Mensch, der von seinen Forschungen Bescheid wußte, war Kenneth. Ihm hatte Earl Brandon vertraut. Und Kenneth Brandon hütete sich, ein Wort zu sagen. Auch seiner Verlobten nicht, trotzdem sie ihn immer wieder mit Fragen gequält hatte.
All diese Gedanken gingen Sheila durch den Kopf, während sie dem Haus der Brandons entgegenfuhr.
Es dunkelte bereits, als Sheila vor dem großen Eisentor des Grundstücks stoppte. Das Mädchen schwang sich leichtfüßig aus dem Wagen, drückte den Knopf der Sprechanlage und sagte, als sie Kenneth’ Stimme hörte: »Mach auf, Schatz.«
»Moment«, tönte es zurück.
Wenig später schwangen die beiden Flügel des Tores zurück. Sheila startete den Wagen mit durchdrehenden Reifen und zischte den Weg zum Haus hoch. Kenneth erwartete sie auf der großen Freitreppe.
»Darling!« rief Sheila, hauchte ihrem Verlobten einen Kuß auf die Wange, hängte sich bei ihm ein und zog ihn mit ins Haus. Der junge Mann lächelte etwas gequält.
»Was ist mit dir, Kenneth?« fragte Sheila, als sie die Bibliothek betraten. »Du bist in letzter Zeit so ernst. Denkst du immer noch an Vater?«
Kenneth nickte.
»Mein Gott.« Sheila faßte ihren Verlobten an beide Schultern. »Dein Vater ist tot, Kenneth. Aber das Leben geht weiter. Komm doch endlich darüber hinweg. Was hast du die ganze Zeit gemacht? Gelesen, wie? Da, da.« Das Mädchen deutete auf die Bücherregale, die drei Wände des Raumes einnahmen. »Vergräbst dich hinter alten Schwarten, anstatt auf Partys zu gehen. Wir können jeden Abend woanders sein. Dein Vater ist jetzt fast einen Monat tot, und du…«
»Sei bitte ruhig, Sheila«, sagte Kenneth Branden. »Das verstehst du nicht.«
»Wie redest du denn mit mir? So kenne ich dich ja gar nicht.«
»Entschuldige, Sheila. Es war nicht so gemeint. Ich bin eben etwas nervös und überarbeitet.« Kenneth wischte sich mit einer müden Handbewegung über die Augen. »Überarbeitet, das ist es.«
Sheila ging zu einem kleinen Rauchtisch, nahm sich eine Zigarette aus der Dose und zündete sie an, ehe Kenneth ihr Feuer geben konnte. »Aber das werden wir ändern«, sagte sie bestimmt. »Noch heute abend. Wir fahren nach Dover und gehen aus. Ich kenne dort ein Restaurant, da gibt es den besten Fisch in ganz England. Und morgen fahren wir für vier Wochen auf das Gut meines Vaters. Er hat uns beide eingeladen. Du wirst sehen, es wird eine herrliche Zeit.«
Kenneth Branden trat an eines der beiden hohen Fenster und schob die Vorhänge zur Seite. Fast eine Minute starrte er schweigend in die Dunkelheit. Dann sagte er: »Es wird nicht gehen, Sheila. Ich habe noch zuviel zu tun. Ich muß den Nachlaß meines Vaters ordnen. Für morgen hat sich unser Rechtsanwalt angesagt. Ich kann hier nicht weg, Sheila. Und ich will auch nicht.«
Das Mädchen drückte die Zigarette aus. »Du bist unverbesserlich«, stöhnte sie in gespielter Verzweiflung. »Ich habe schon mit deiner Absage gerechnet und mir deshalb einige Sachen mitgebracht. Ich werde nämlich ein paar Tage hierbleiben.« Kenneth wandte sich um. Er hatte beide Hände in den Taschen seiner eleganten Hausjacke vergraben. Jetzt nahm er sie heraus, und Sheila sah, daß seine Finger zitterten.
»Was ist, Kenneth? Freust du dich nicht?«
»Doch, doch. Aber mir
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