Gnadenlos (Sara Cooper)

könnten. Auf der anderen Seite hingen Platzhalter: Namen oder Gesichter fehlten. Die beiden Jungen, die mit Mia und Claire gereist waren, Robert White, der angebliche Anwalt, und zu guter Letzt der mysteriöse Geschäftsmann, mit dem Claire sich getroffen hatte. Cruz machte einen Verbindungsstrich von ihm zu Claire und schrieb darunter Schwanger? In diesem Moment kamen Lilly und Shawn hinzu, Miller folgte ihnen mit schnellem Schritt. Shawn schloss die Tür hinter ihnen.
    Miller setzte seine Brille auf und musterte die Tafel. „Da soll einer durchblicken?“, fauchte er.
    Cruz zuckte die Schultern. „Es ist kompliziert. Das haben solche Fälle manchmal an sich.“
    „Passen Sie auf, was Sie sagen“, mahnte ihn sein Boss mit scharfem Ton.
    Shawn grinste unverhohlen, ihm gefiel es, wenn Cruz einen Seitenhieb abbekam. „Das ist doch reine Zeitverschwendung“, untermauerte er seine Missgunst und stieß ein kurzes humorloses Lachen aus.
    Cruz überraschte es nicht, dass sein Kollege die erstbeste Gelegenheit für einen überflüssigen Kommentar genutzt hatte. „Danke für deinen Beitrag, O’Grady. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mich erstmal ausreden lassen würdest – auch wenn dich die Fakten dieses Falls langweilen“, erwiderte er trocken.
    Die Beiden sahen sich schweigend an. Lilly und Miller warfen sich einen besorgten Blick zu. Schließlich deutete Shawn mit einer gönnerhaften Geste an, Cruz dürfe weitermachen. „Schluss ihr Beiden!“, warf Miller ein. „Habt ihr denn gar nichts über diesen Robert White herausfinden können? Preston?“
    Lilly saß mit übereinandergeschlagenen Beinen neben Shawn und wippte mit dem Fuß, so dass ihr Mini-Pferdeschwanz im Rhythmus mitschwang. „Nein. Es gibt zwar mehrere Robert Whites in den Staaten, aber keiner ist der, den wir suchen.“
    „Das wäre ja auch zu einfach gewesen“, kommentierte Miller. „Sutton können wir ausschließen, oder? Ihr seid sicher, dass er nichts von Claires Aufenthaltsort in Thailand wusste und somit auch niemanden auf das Mädchen ansetzen konnte?“
    Cruz nickte. „Ja, da sind wir uns sicher. Sutton hatte keine Ahnung. Damit können wir leider nicht mehr davon ausgehen, dass es bei der ganzen Sache um Claire geht.“
    „Aber was ist mit diesem Geschäftsmann?“ Miller deutete auf die Silhouette an der Tafel. „Wenn Claire wirklich schwanger von ihm ist, hat er ein doppeltes Motiv. Baby und Erpressung.“
    Cruz atmete ein. „Ja, aber wir wissen noch nicht einmal, ob Claire von ihm schwanger ist. Das ist alles ziemlich ins Blaue hinein geraten.“
    „Keine Vermutung, um wen es sich bei dem Kerl handeln könnte?“
    „Nein, nichts. Nur, dass er offensichtlich ein hohes Tier ist, es ging ja um eine beachtliche Menge Geld. Genaueres kann uns aber nur Claire sagen.“
    Miller nickte. In diesem Moment kam Trish herein, die Empfangsdame, sie hielt einen Umschlag in der Hand. Alle schauten auf. Trish hatte ihre Rasta-Locken zu einem Zopf zusammengebunden, der wie eine riesen Palme auf ihrem Kopf wirkte. Dazu trug sie ein knallgelbes Haarband. Miller starrte die junge Kollegin mit halboffenem Mund an, als käme sie von einem anderen Stern. Sie räusperte sich. „Cruz, entschuldige. Aber das wurde für dich abgegeben. Es steht Dringlich drauf, daher dachte ich...“
    Cruz stand auf. „Schon gut, Trish, danke.“ Er nahm den Umschlag entgegen und öffnete ihn. Darin waren eine CD und ein Zettel. Cruz stockte. „Ich glaube es nicht“, flüsterte er und reichte Miller die CD. „Das müssen wir uns ansehen. Die CD ist von Todd.“ Er hielt den Zettel in der Hand und las vor. „ Claire wollte, dass ich eine Kopie von der CD mache. Mir wird das Ganze jetzt aber zu brenzlig, und ich denke, bei Ihnen ist das Video besser aufgehoben. Todd.“
    Miller hatte die CD eingelegt und drückte auf Play. Nach anfänglichem Rauschen stellte sich langsam ein Bild ein. Die Qualität war miserabel, aber man konnte alles erkennen. Da war Claire, die auf einem Bett saß. Cruz lachte auf. „Sie hat die Kamera wohl in ihrer Handtasche, unglaublich.“ Das Mädchen trug ein aufreizendes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt, ihre Stilettos hatte sie schon abgelegt. Da kam ein Mann ins Bild. Er streichelte Claire über die Wange und spielte mit einer Haarsträhne von ihr. „Los, zieh dich aus“, sagte er in einem harschen Befehlston. Claire legte sich auf die Seite. Während der Mann sich die Jacke auszog und die Krawatte lockerte, drehte er sich zur