Göttin der Rosen
zurück und zisch ab.«
Mikki fühlte sich vor Scham wie gelähmt, als die Schauspielerin die Hand ausstreckte, um ihr das gut versteckte Mikrophon aus den Haaren zu ziehen.
»Au! Scheiße!«, kreischte die Diva plötzlich auf, zog die Hand zurück und steckte sich ihren blutenden Finger in den Mund. »Das verdammte Ding hat mich gestochen!«
Mit einer ungeschickten Bewegung hob Mikki die Hand und berührte die Rose, die immer noch hinter ihrem Ohr steckte.
»Sorry«, murmelte sie und zog das Mikro selbst aus ihren Haaren. »Mikado-Rosen haben normalerweise keine so spitzen Dornen.«
In diesem Moment kam Cio auf die Bühne geeilt. »Catie, Darling, keine Sorge. Sie hat uns nur beim Soundcheck geholfen.«
Catie riss Mikki das Mikro aus der Hand und wandte ihr demonstrativ den Rücken zu, als der Soundmanager es in ihrer Perücke befestigte.
»Kann mir mal jemand ein Pflaster holen, bevor ich verblute? Und, mein Gott, was ist das für ein Gestank? Wer hat hier in Parfüm gebadet? Es stinkt wie in einem verdammten Bordell. Zum Teufel nochmal! Ich bin eine halbe Sekunde weg, und schon ist alles im Arsch!«
Noch zwei Leute kamen auf die Bühne geeilt, und Mikki suchte so unauffällig wie möglich das Weite, ohne auf die Stimme des Regisseurs zu achten, der sich heuchlerisch bei ihr bedankte und sie daran erinnerte, dass sie ihre Tickets bei der Premiere im Garden Center abholen konnte.
7
Es dauerte ein paar Minuten, bis Mikkis Wangen sich abgekühlt hatten – bestimmt war sie knallrot im Gesicht. Mann, was für eine Blamage! Sie verließ den Fußweg und ging den sanft ansteigenden Hügel hinauf, der sie an den obersten Eingang der Rosengärten führen würde. Trübsinnig durch die vertrockneten Blätter schlurfend, die das weiche Gras des Parks braun färbten, versuchte sie dahinterzukommen, was gerade passiert war. Als sie die Bühne betreten hatte, war noch alles in Ordnung gewesen, sie hatte sich sogar irgendwie auf ihren Auftritt gefreut. Und als sie dann begonnen hatte, ihren Text zu lesen … Sie sah auf das Skript hinunter, das sie vergessen hatte zurückzugeben. Hier war es zu dunkel, um etwas lesen zu können, aber sie wusste auch so, dass dort etwas völlig anderes stand, als sie gesagt hatte. Sie erinnerte sich genau, wie die Worte geleuchtet und in ihrem Kopf nachgehallt hatten. Mit zitternden Händen fuhr Mikki sich durch die Haare.
Was war nur los mit ihr? Vielleicht sollte sie doch lieber nach Hause gehen und Nelly anrufen. Wenn so eine schrecklich peinliche Halluzination vor einer ganzen Gruppe von Fremden nicht als Notfall von enormen Ausmaßen durchging, was dann?
Genau in diesem Moment erreichte Mikki die Kuppe des Hügels und blieb abrupt stehen. Die Tulsa Municipal Rose Gardens erstreckten sich vor ihr wie ein vertrauter Traum, und der Anblick beruhigte ihre angespannten Nerven. Schon wusste sie gar nicht mehr genau, was eigentlich so schlimm gewesen war. Ihr Auftritt hatte wahrscheinlich mehr mit den drei Gläsern Wein und ihrem Lampenfieber zu tun gehabt als mit irgendwelchen Psychosen. Sie stopfte das Skript in ihre Tasche. Wenn sie zu Hause war, würde sie Medeas Bittgebet an Hekate noch einmal lesen – bestimmt waren ihre Worte gar nicht so weit entfernt vom Originaltext, wie sie gedacht hatte. Es war lächerlich, sich wegen jedem kleinen Fehler, den sie machte, und jedem Tagtraum, den sie sich erlaubte, gleich so aufzuregen. Plötzlich breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Sie würde mit Nelly zur Premiere gehen und bei der Gelegenheit vielleicht sogar Catie, die Diva, ein bisschen ärgern.
Während sie auf die Fülle von Rosen hinabblickte, vertrieb der Zauber ihrer geliebten Gärten die letzten Überreste ihrer schlechten Laune. Die Tulsa Municipal Rose Gardens waren in der Form einer gigantischen fünfstöckigen Hochzeitstorte angelegt, die von der Straße aus fast dreihundert Meter hoch aufragte. Als Vorbild hatten die Gärten der Renaissance gedient, und so verwunderte es wenig, dass sich zwischen den über neuntausend Rosen und zahlreichen importierten Statuen auch kegelförmig geschnittene Wacholderbüsche, südländische Magnolien sowie sommergrüne Stechpalmen und Bergkiefern befanden.
Außerdem hatte jede Ebene ihr eigenes Wasserelement. In den Gärten gab es alles – von tiefen, ruhigen Teichen über altertümliche Wasserspeier bis hin zu dem prächtigen stufenförmigen Springbrunnen, der das Herzstück der dritten und größten Ebene bildete.
Inzwischen
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