Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
Vom Netzwerk:
Rücken.
    »Deswegen muss man sich nicht schämen, Prinz Aleksandar«, sagte Newkirk. »Ich brauche immer noch ewig , um einen anständigen Kurs zu berechnen. Nicht so wie Mr. Sharp, der schon alles über Sextanten wusste, ehe er überhaupt zum Service gekommen ist.«
    »Nicht jeder kann das Glück haben, einen Flieger als Vater zu haben«, meinte Alek.
    »Vater?« Newkirk wandte sich mit gerunzelter Stirn vom Fenster um. »War das nicht Ihr Onkel, Mr. Sharp?«
    Bovril gab einen leisen Laut von sich und grub die winzigen Krallen in Aleks Schulter. Dylan sagte nichts. Er sprach selten über seinen Vater, der vor den Augen des Jungen verbrannt war. Der Unfall quälte Dylan immer noch sehr, und Feuer war das Einzige, das ihm Angst machte.
    Alek schalt sich einen Dummkopf und fragte sich, warum er den Mann erwähnt hatte. War er vielleicht sauer auf Dylan, weil der immer so gut in allem war?
    Er wollte sich gerade entschuldigen, als sich Bovril abermals rührte und sich vorbeugte, um aus dem Fenster zu schauen.
    »Tierchen«, sagte der Perspikuitive Loris.
    Ein schwarzer Fleck flog in Sicht und kreiste durch den leeren blauen Himmel. Es war ein riesiger Vogel, viel größer als die Falken, die vor einigen Tagen das Luftschiff in den Bergen umschwärmt hatten. Es hatte Größe und Krallen eines Raubvogels, doch eine solche Silhouette hatte Alek noch nie gesehen.
    Und er kam geradewegs auf das Schiff zu.
    »Fällt Ihnen etwas an dem Vogel auf, Mr. Newkirk?«
    Newkirk drehte sich wieder zum Fenster um und nahm den Feldstecher an die Augen, den er von der Morgenwache noch umhängen hatte.
    »Aye«, sagte er kurz darauf. »Ich glaube, es ist ein Zarenadler!«
    Hinter ihnen hörte man, wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Dylan erschien am Fenster und schirmte die Augen mit beiden Händen ab.
    »Pusteln und Karbunkel, Sie haben recht – zwei Köpfe! Aber Zarenadler überbringen Botschaften nur für den Zaren persönlich …«
    Alek sah Dylan an und fragte sich, ob er richtig gehört hatte. Zwei Köpfe?
    Der Adler schwebte heran und sauste am Fenster vorbei, dass man seine schwarzen Federn nur verschwommen erkennen konnte. In der Morgensonne glitzerte der Harnisch golden. Bovril brach in irres Gelächter aus, als der Vogel vorbeirauschte.
    »Er will zur Brücke, richtig?«, erkundigte sich Alek.
    »Aye.« Newkirk senkte den Feldstecher. »Wichtige Nachrichten gehen immer gleich an den Kapitän.«
    Ein kleiner Schimmer Hoffnung hellte Aleks düstere Stimmung auf. Die Russen waren Verbündete der Briten, befreundete Darwinisten, zu deren Tierschöpfungen Mammutine und riesige Kampfbären zählten. Wenn der Zar nun Hilfe gegen die Mechanisten-Armee brauchte und es sich um eine Aufforderung handelte, das Schiff zu wenden? Selbst an der eisigen russischen Front zu kämpfen wäre besser, als seine Zeit in dieser Wildnis zu vergeuden.
    »Ich muss wissen, was das für eine Nachricht ist.«
    Newkirk schnaubte. »Dann müsste man zum Kapitän gehen und ihn fragen.«
    »Aye«, sagte Dylan. »Und wo du schon einmal da bist, kannst du ihn fragen, ob er mir nicht eine wärmere Kabine gibt?«
    »Ein Versuch kann nicht schaden«, meinte Alek. »Bislang hat er mich noch nicht ins Schiffsgefängnis gesperrt.«
    Als Alek vor zwei Wochen auf die Leviathan zurückgekehrt war, hatte er halb erwartet, in Ketten gelegt zu werden, weil er von dem Schiff geflohen war. Aber die Schiffsoffiziere hatten ihn stattdessen sehr respektvoll behandelt.
    Inzwischen wussten alle, dass er der Sohn des verstorbenen Erzherzogs Ferdinand war und nicht irgendein österreichischer Adliger, der einfach nur dem Krieg entfliehen wollte. Vielleicht war das gar nicht einmal so schlecht.
    »Was wäre ein guter Vorwand für einen Besuch auf der Brücke?«, fragte er.
    »Da braucht man keine Vorwände«, sagte Newkirk. »Der Vogel ist den ganzen Weg von St. Petersburg hergeflogen. Die werden uns rufen, damit wir ihn füttern und ihn an einen Ort zum Ausruhen bringen.«
    »Und den Vogelschlag hast du doch noch nie gesehen, Euer Prinzlichkeit«, fügte Dylan hinzu. »Da könntest du gleich mitkommen.«
    »Danke, Mr. Sharp«, sagte Alek und lächelte. »Das wäre mir überaus angenehm.«
    Dylan kehrte an den Tisch zu seinen kostbaren Kartoffeln zurück und war womöglich dankbar, weil sich das Gespräch nicht mehr um seinen Vater drehte. Alek beschloss, sich heute noch bei ihm zu entschuldigen.
    Zehn Minuten später steckte eine Boteneidechse den Kopf aus einer der Röhren an

Weitere Kostenlose Bücher