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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Das Meisterstück
    Es gab im alten Dsôn einst eine geheime Organisation aus den Jungen unseres Volkes, die sich Tyvoi nannte.
    Sie war mit ein Grund, weswegen die Unauslöschlichen eine Garde auf die Straßen schickte, bei Sonne und bei Mond, obwohl es keine Feinde im Albaereich zu fürchten gab.
    Ich erfuhr nur sehr wenig über die Tyvoi, die sich bei ihren Treffen maskiert einfanden und niemals ihre wahren Züge preisgaben. So vermochte niemand einen oder eine andere zu verraten.
    Es mag tausende Geschichten über sie zu erzählen geben, aber nur diese eine Anekdote erreichte mich, ohne dass ich weiß, wann sie sich zutrug …

    Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Albaereich Dsôn Faïmon, Dsôn, Sommer
    Cothóra eilte die enge, tiefnächtliche Gasse entlang, ihr dunkelgrau, schwarz und dunkelblau gemusterter Umhang wehte leicht hinter ihr her. Vor dem Hintergrund der meisten Gebäude in der Hauptstadt verschmolz sie aufgrund des Mantels mit den Mauern, ohne dass sie auf die albische Kunst der Schatten zurückgreifen musste. Es erleichterte vieles, wenn man nicht ständig Dunkelheit um sich aufrechterhalten musste.
    Ich siege. Oh, Samusin, ich werde sie alle verblüffen! Die junge Albin kicherte, während sie die schwarze Maske aus Samt anlegte, welche um die Augen, über der Stirn und an den Wangen hinab bis zum Kinn lag. Als Erkennungszeichen trug sie einen Smaragd oberhalb des rechten Auges auf der Außenseite der Larve. Er gab ihr auch ihren Namen innerhalb der Tyvoi: Maràkata, die alte Bezeichnung für Smaragd.
    Cothóra blieb stehen, als sie ein leises Geräusch hörte. Die Garde. Jetzt schon?
    Weil sie es nicht mehr zurück zum Ausgang des Sträßchens schaffen würde, ehe die Soldaten in die Gasse traten, sprang sie nach rechts, anderthalb Schritte in die Höhe gegen die Wand, nutzte eine Fuge zum Abdrücken, katapultierte sich nach links und weiter an der Mauer empor, stieß sich erneut ab und erreichte mit einem beherzten Sprung die untere Dachkante.
    Cothóras behandschuhte Finger schlossen sich um die Abwasserrinne, und mit einer schwungvollen Pendelbewegung gelangte sie auf die Schindeln. Hier bin ich in Sicherheit.
    Gleichzeitig marschierte die Garde in die Gasse: fünf Krieger unter Führung eines Gardanten; die Bewaffnung bestand aus Kurzstöcken, Unterarmschilden und Dolchen. Diese kleine Einheit kam überwiegend in den engen Straßen der Stadt zum Einsatz.
    Cothóra sah ihnen grinsend dabei zu, wie sie ahnungslos unter ihren dunkelbraunen Augen vorbeiliefen. Dabei suchen sie uns bestimmt.
    Die Tyvoi existierten nicht in den Gedanken der herkömmlichen Albae. Und das musste auch so bleiben.
    Die Unauslöschlichen wussten von den dreisten, jungen Dieben und Diebinnen; auch mancher Gardant kannte sie, nachdem er einen oder eine von ihnen durch Dsôn gejagt hatte.
    Wurde ein Tyvoi gefasst und als solcher erkannt, galt er als besonders aufmüpfiger und gefährlicher Dieb.
    Er kam mit einer zunächst harmlosen Strafarbeit davon, was das Fegen von öffentlichen Plätzen, das Ausmisten von Gardeställen oder die Arbeit auf einer Inselfestung zur Folge hatte.
    Jedoch erwartete ihn Züchtigung an jedem Moment der Unendlichkeit, solange er seine Strafarbeit verrichtete.
    Cothóra hatte von Tyvoi gehört, denen die Haut in Streifen sowie das rohe Fleisch vom Rücken hing. Selbst nach Teilen ihrer Unendlichkeit litten sie Schmerzen wegen der Prügel in ihrer Jugend.
    Die Albin war sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebte, solange sie der Organisation angehörte, in der die Aufsässigen zusammenfanden und im steten Wettstreit zueinander standen. Es ging nicht um das Erlangen von Reichtum, sondern einzig um Einfallsreichtum, Wagnis und Dreistigkeit.
    Doch sie konnte nicht anders. Es kribbelte in Cothóra, auf die Jagd zu gehen und mit ihrer Ausbeute jeden anderen Tyvoi auszustechen, um die Trophäe zu erlangen. In diesem Zehnt würde es ihr gelingen, sie spürte es.
    Einer der Gardisten stieß einen Pfiff aus und blieb stehen, die Einheit kam zum Halten.
    Er bückte sich und hob etwas auf, das er zwischen den weißen Knochenperlchen gefunden hatten. Der Gardant eilte zu ihm und bekam den handtellergroßen Gegenstand überreicht, der im Schimmern der Gestirne rötlich aufleuchtete.
    Das ist mein Medaillon. Cothóra überlief ein kalter Schauder. In den Händen der Garde wäre ihre Beute nutzlos und sie dem Spott der Tyvoi ausgeliefert.
    Der Gardant drehte und wendete das Schmuckstück aus Gold mit Runen aus

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