Gondeln aus Glas
Troubetzkoy erschießen zu lassen.»
«Den er praktischerweise zuvor schon in die Wohnung gelockt und getötet hatte.» Bossi sah Tron an. «Also war er es, der Konstancja Potocki umgebracht hat. Seine eigene Frau. Aber wie ist er an den Tizian gekommen?»
«Er hatte ihn aus dem Palazzo da Lecce.»
Bossi schnappte nach Luft. «Potocki war der Komplize?»
Tron nickte. «Oberst Orlow und Potocki waren alte Freunde. Potocki hat Kostolany getötet, dann Pater Terenzio und schließlich Orlow. Hätten Sie sich dieses Tatortfoto nicht noch einmal angesehen, dann wäre sein Plan aufgegangen. Er hat mir mit großem Stolz alles erzählt.»
«Und jetzt?»
Tron lächelte. «Gehen Sie wieder nach oben. Den Bericht diktiere ich Ihnen morgen. Dann erfahren Sie alle Einzelheiten. Haben Sie sich in Tanzkarten eingeschrieben?»
Bossi machte ein unbehagliches Gesicht. «Nur in eine. Ich hatte keine andere Wahl, Commissario.»
«Keine andere Wahl? Bei wem?»
Bossi zupfte an seiner Halsbinde und räusperte sich nervös. «Bei Signorina Violetta.»
Tron hätte sich fast an seinem beignet dauphin verschluckt. «Sagten Sie Signorina Violetta?»
Bossi nickte. «Der Baron hat darauf bestanden. Er wollte, dass Signorina Violetta eine volle Tanzkarte hat. Außerdem hat der Baron mich mit Ispettore angeredet.»
«Ein gutes Zeichen.»
«Meinen Sie?»
«Auf jeden Fall. Sagen Sie der Principessa, dass meine beignets dauphin alle sind.»
«Ich könnte jemanden …»
Tron hob die Hand. «Sagen Sie es der Principessa.»
50
Mit angezogenen Beinen lag Tron in seinem Bett, stopfte sich beignets dauphin in den Mund und krü melte auf die Steppdecke – woraus ihm niemand einen Vorwurf machen konnte, denn sein linker Arm und sein Kopf waren mit einem dicken Verband umwickelt, da ließ sich das Krümeln nicht vermeiden. Als Kind hatte er, baicoli knabbernd, oft in dieser Position gelegen und auf das gelauscht, was auch jetzt zu hören war: Walzermusik aus dem Ballsaal, Schritte und Stimmen auf der Treppe, dazu die Rufe, mit denen die Diener der Trons die Gondeln dirigierten, die sich jedes Mal, wenn die Contessa einen Ball veranstaltete, vor dem Wassertor des Palazzo drängten.
Der Ball jedenfalls schien ein Erfolg zu sein. Vor ein paar Minuten hatte es von San Stae Mitternacht geschlagen, aber der große Strom die Treppe hinunter hatte noch nicht eingesetzt. Allein die Gästeliste war diesmal so glanzvoll wie kaum je zuvor. Nicht nur die alten venezianischen Familien, die Tiepolos, die Contarinis, die Foscaris, die Dolfins und die Priulis waren fast vollständig erschienen, auch sämtliche Vertreter der europäischen Großmächte hatten sich die Ehre gegeben – bis auf den Generalkonsul des russischen Zaren, aber das, dachte Tron, würde erst im Nachhinein Aufsehen erregen. Natürlich war das Sahnehäubchen auf der Gästeliste die Königin beider Sizilien. Würde man sich bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass bereits ihre kaiserliche Schwester Elisabeth im Ballsaal der Trons getanzt hatte? Vermutlich. Und wenn nicht, würde die Contessa schon dafür sorgen.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis die Klinke herabgedrückt wurde und die Principessa Trons Zimmer betrat – Moussada im Schlepptau, der ein Tablett auf Trons Nachttisch absetzte und sich dann sofort zurückzog.
«Entschuldige. Ich musste noch mit Spaur und mit der Königin reden», sagte die Principessa. «Spaur ist sehr glücklich über den Verlauf des Abends und auch darüber, wie elegant du das Problem mit dem Mann gelöst hast, der Signorina Violetta belästigt hat.»
«Spaur weiß Bescheid?»
«Offenbar hat er sowohl mit Bossi als auch mit Signorina Violetta über den Vorfall geredet. Dass du sofort die Gelegenheit ergriffen hast, den Mann aus der Stadt zu vertreiben, hat ihm gefallen. Und dann hat er mir noch aufgetragen, dir etwas auszurichten.»
Tron stöhnte. «Geht es um die Novelle?»
Die Principessa nickte. «Spaur hat mit Signorina Violetta die Handlung erörtert. Sie hat wohl einen Vorschlag gemacht.»
«Was für einen Vorschlag?»
«Etwas, das ich nicht ganz verstanden habe.» Die Principessa runzelte die Stirn. «Signorina Violetta hält es für eine gute Idee, die junge Polin durch einen jungen Polen zu ersetzen. Und Spaur meint, diese kleine Veränderung gibt der Geschichte einen Einschlag ins Pikante. Er sagt, du wüsstest schon Bescheid.»
Tron verdrehte die Augen. «Und was wollte die Königin?»
«Mir den Tizian verkaufen.» Die
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