Graf Dracula auf Schreckenstein
hatte recht. Ritter und Mädchen, Lehrerinnen und Lehrer standen oder saßen auf dem Steg wie auf einer eigens aufgestellten Tribüne. Von hier aus konnten sie das Geschehen am Ufer und im Wasser ohne jede Sichtbehinderung verfolgen. Auf einer Klappbank saßen Fräulein Doktor Horn, das dicke Fräulein Böcklmeier —die Lieblingslehrerin der Mädchen—, Gießkanne und Doktor Waldmann. Nur der Rex und Mauersäge fehlten noch.
„Erstaunlich, mit welch primitiven Mitteln hier Illusionen erzeugt werden!“ meinte die Leiterin von Rosenfels und deutete auf Kappie , die jetzt nur noch mit dem Kopf, zwei Bögen und dem Schwanzende aus dem Wasser ragte und eher wie ein großes Spielzeug aussah.
Wa redete am Ufer mit einem der Taucher und hatte es besonders wichtig.
„Wenn ich ihn so sehe, würde ich ihm am liebsten einen Schubs geben“, meinte der kleine Kuno.
Ottokar nickte ingrimmig. „Ich auch. Aber da muß uns noch was Besseres einfallen!“
„Aber was?“ antwortete der kleine Eberhard. „Wenn das nicht so schwierig wäre, hätten wir längst was gemacht. Wir waren schwer sauer.“
Känguruh setzte sich in seinen Klappstuhl, der ihm überall nachgetragen wurde, neben die Hauptkamera. Die beiden Taucher schwammen unter den Steg, wo sie ein Seil losbanden.
Wa rief: „Bitte Ruhe!“ — Das übliche Zeremoniell von Klappe bis „Action“ begann.
„Ohne Ton“, stellte Pummel fest.
„Klar, Mann. Die Kamera ist ohne Blim “, flüsterte Stephan. Mit Blim meinte er jenes Gehäuse, in das kleinere Kameras bei Aufnahmen mit Ton gesteckt werden, damit das Geräusch des Antriebsmotors für den Filmtransport nicht vom Mikrofon aufgefangen wird. Sonst wäre unter dem Geschehen fortwährend ein Brummen.
Aldo war jetzt nicht mehr zu erkennen. Sein Gesicht steckte unter einer Gummimaske, die, mit Falten, Zahnlücken und Warzen, an Scheußlichkeit nicht zu überbieten war — eine Hexenmaske aus Gummi. Daß er mit dieser Sichtbehinderung die Angriffe von Dracula so genau parieren konnte, fanden die Ritter beachtlich. Der ungleiche Kampf endete mit einem Tritt, den der Vampir der Hexe versetzte, direkt auf die Brust. Aldo ließ den Besen fallen und kippte hintenüber ins Wasser.
„Ziehen!“ rief der eine Taucher unter dem Steg dem anderen zu. Beide, an Pfosten angebunden, zogen unter der Wasseroberfläche ein Seil — Kappie schwamm näher, stur geradeaus und verfehlte mit dem offenen Maul die hinaustreibende Hexe um einige Meter.
„Donnerwetter! Die drehen das durch! Ohne Schnitt!“ sagte Doktor Waldmann und erklärte auf Fragen von Fräulein Horn, was er damit meinte: „In zwei Einstellungen wäre es einfacher. Zuerst den Zweikampf, bis die Hexe ins Wasser fällt, dann wie das Ungeheuer sie frißt . Das Ungeheuer ist nicht lenkbar. Es wird an einem unter Wasser gespannten Draht geführt und von Hand gezogen. Die Hexe muß sich, wenn sie ins Wasser fällt, noch irgendwie vom Ufer abstoßen, damit sie ihm genau ins Maul treibt.“
Gelächter der Ritter und Mädchen ließ ihn aufschauen. Aldo bekam gerade trockene Hexenkleider und stand in der Badehose mit der Gummimaske bei Känguruh , der fuchtelte und auf ihn einredete.
Fräulein Doktor Horn war sehr aufgeregt. „Warum macht man da nicht einen Trick?“
„Vielleicht ist es so billiger?“ mutmaßte Waldmann. „Das Ungeheuer soll eine Leihgabe sein, habe ich gehört. Es kam schon in einigen Filmen vor.“
„Und wie kriegt der arme Mann Luft, wenn es ihn gefressen hat?“
„In den beiden Höckern sind Luftlöcher“, antwortete Waldmann.
Aber Fräulein Doktor Horn war noch nicht zufrieden. „Und wenn das Tier untergeht?“
„Kann es nicht. Es läuft ja wie auf einer Schiene.“
Beatrix stieß Sonja an: „Es fehlt nicht mehr viel urtd sie will auch eine Rolle.“
„Da muß sie erst eine Talentprobe ablegen“, raunte Stephan ihr zu.
„Du brauchst ihr nur einen kleinen Schubs zu geben“, meinte Sophie. Tatsächlich hatte Stephan die Leiterin von Rosenfels in Reichweite.
Jetzt winkte Känguruh hinaus zur zweiten Kamera, die am Ende des Stegs aufgestellt war und rief: „Wir drehen bis Hexe kommen geschwimmt zu Maul. Dann Cut. Fressen. Neue Einstellung, okay?“
Der Kameramann hob die Hand und nickte. Aldo hatte wieder seinen Buckel, die beiden Taucher unter dem Steg redeten unverständlich miteinander, Fräulein Doktor Horn, die sich vorbeugte, konnte nichts verstehen. Zumal Wa jetzt in die Hände klatschte. „Und nun bitte wieder Ruhe,
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