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Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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aufforderte, um mir meinen Job als Polizeireporterin zu retten.

Singen für den toten Papa
    Diese Castingshow war eine Mischung aus Zirkus, Jahrmarkt, Vorhölle und Kulturschock.
    Die Landesmedienanstalt beurteilte sie so: In einem Massenmedium wird vorgeführt, wie Menschen herabgesetzt, verspottet und lächerlich gemacht werden. Antisoziales Verhalten wird als Normalität dargestellt. Dies kann Werten wie Mitgefühl, Respekt und der Solidarität mit anderen entgegenwirken.
    In der Konferenz hatte ich gelogen, denn natürlich hatte ich die Show schon gesehen und mich dabei köstlich amüsiert. Da thronten drei Richter hinter einem Tisch, angeführt von einem Schlagerproduzenten namens Pitt Brett, über dessen Sprüche sich alle Welt aufregte, nur weil er absolut ehrlich war. Dass sein Wortschatz nicht den Ansprüchen einer höheren Töchterschule genügte, war seit Jahren bekannt. Dennoch hatte diese Schau einen erstaunlichen Zulauf – besonders von schlecht oder gar nicht ausgebildeten jungen Frauen und Männern, darunter viele mit dem sogenannten Migrationshintergrund.
    In jeder WSDS-Staffel gab es jede Menge falsche Gefühle und Schicksalsschläge: Gefängnis, Arbeitslosigkeit, Krankheit und Drogen. Der Proll, der aus dem Jugendknast entfleucht war, hielt sich genauso geeignet für eine Popkarriere wie das sechzehnjährige Pummelchen, das für seinen angeblich toten Vater im Himmel trällerte.
    Dreitausend Kandidaten aus dem Umland hatten sich für das Casting in Bierstadt angemeldet. Die Stadtverwaltung hatte dem Sender die große Halle im Veranstaltungszentrum zur Verfügung gestellt.
    Ich lud mir ein Info-Paket aus dem Netz zusammen und rief bei der Pressestelle des Senders an.
    Der Anrufbeantworter verwies auf den nächsten Tag. Auch gut, dachte ich, dann eben morgen, verschickte aber eine Mail. Darin erklärte ich die Absicht des Tageblatts, eine die Show begleitende Serie von Reportagen zu bringen, und bat um Interviewtermine.
     
    Draußen vor dem Verlagshaus hatten wieder drei Erleuchtete Position bezogen. Die Frau war nicht dabei, sie hatten das Entführungsopfer also ersetzt. Ich trat auf den Stand zu.
    »Möchten Sie sich informieren?«, fragte einer der Männer. »Wissen Sie, wer wir sind?«
    »Deshalb bin ich doch gekommen, um das zu erfahren.«
    »Dann schauen Sie sich unser Informationsmaterial in Ruhe an«, lud er mich freundlich ein. »Wenn Sie Fragen haben oder etwas nicht verstehen, sagen Sie bitte Bescheid.«
    Mein Blick streifte über den Tisch. Bücher und zusammengeheftete Schriften. Und einige Werke über Dianetik, die ich schon aus meiner Recherche im Netz kannte. Dianetik war wohl ein Allheilmittel für menschliche Probleme.
    »Die Dianetik zeigt den Weg zur größeren Harmonie zwischen Körper und Geist«, erklärte der Mann, der meinem Blick gefolgt war.
    »Wer will die nicht«, nickte ich. »Und jede Kirche hat ihre eigenen Methoden, ihn aufzuzeigen.«
    »Das Buch Dianetik ist schon seit mehr als fünfzig Jahren ein Bestseller und hat die Menschheit verändert.«
    »Die Bibel auch«, lächelte ich.
    »Die Bibel ist eine Ansammlung von Kindergeschichten. Wir wenden uns an den Menschen von heute, der sich in seinem schöpferischen Tun nicht einschränken lassen will. Die Methoden der Dianetik lösen die Störungen auf, die uns das frühere Leben beschert hat. So wird der Mensch wieder zu einem erleuchteten spirituellen Wesen.«
    »Hört sich anstrengend an«, meinte ich.
    »Ist es aber nicht. Jeder, der unserer Kirche beitritt, wird angeleitet. Wir bieten ausführliche Kurse an und …«
    Eine junge Frau trat zu uns.
    »Hier ist neues Material, Bruder«, sagte sie und legte einen Packen Flugblätter auf den Tisch. »Soll ab sofort verteilt werden.«
    Sie musterte mich. Ich machte das Gleiche mit ihr, aber ich konnte sie nicht als die Frau identifizieren, die ins Auto gezerrt worden war. Dann war sie auch schon wieder verschwunden.
    Ich nahm eines der Flugblätter. Auf ihm prangte ein Foto von Pitt Brett. Darunter stand:
     
    Das ist eine unterdrückerische Person! Eine unterdrückerische Person will jede Unternehmung oder Gruppe, die Verbesserung anstrebt, vernichten oder fertigmachen. Der Ausdruck ›unterdrückerische Person‹ ist eine andere Bezeichnung für eine antisoziale Persönlichkeit. Alle Merkmale, die als diejenigen einer unterdrückerischen Person klassifiziert werden, sind diejenigen von Geisteskranken.
     
    Zuletzt wurde in dicken Lettern gefordert: Boykott gegen den

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