Grenzgänger
»Die Chance besteht. Aber sie ist zu klein.«
Ich umfasste sein Gesicht mit meinen Händen. Sie waren kalt, das wusste ich, aber Samhiel zuckte nicht einmal. Er sah mich nur an. »Du darfst mich nicht um so etwas bitten«, murmelte er.
Ich streichelte seine Haut. Sie war warm; lebendige, weiche Seide unter meinen Fingern. Ich seufzte bedauernd. Zu schade. Ich hätte diese Haut gerne ein einziges Mal auf meinem ganzen Körper gespürt.
»Ich bitte dich aber darum«, murmelte ich. »Wenn es stimmt, dass ich dir ein wenig Trost geben konnte, dann erfüll mir diesen Wunsch. Bitte.«
Samhiel schloss die Augen.
Uriel trat hinter ihn. »Dein Vorschlag ist nicht akzeptabel«, sagte er und jedes Wort war ein perfekter Ton. »Gib uns das Wort.«
Ich seufzte bedauernd und sah Samhiel an. Er hatte meinen Blick nicht losgelassen und wusste ebenso gut wie ich, dass es beendet werden musste. Ich konnte das Wort nicht ewig mit mir tragen. Es war ein verdammter Patt und ich konnte nur eines tun, um ihn aufzulösen. Mit einem Ergebnis, das mich als Gewinner dastehen lassen würde. Auf die eine oder andere Art. Irgendwie.
Samhiel drückte mich in einer plötzlichen Bewegung gegen die Wand und küsste mich hart. Ich atmete erschrocken ein.
»Bete, Feline«, murmelte er an meinen Lippen und stieß seine flache Hand in meine Brust. Sie bot ihm keinen Widerstand – sein Arm verschwand einfach in mir, ohne eine Wunde zu hinterlassen oder zu schmerzen.
Ich hatte mich gefragt, wie er es tun würde, aber ich hätte es ahnen müssen. Samhiels Hand fasste mein Herz und brachte es dazu, stehen zu bleiben. Engel waren romantisch. Zumindest dieses Exemplar.
Mein Körper bäumte sich auf, hielt am Leben fest, aber ich selbst wehrte mich nicht. Ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen.
Das Wort würde dorthin zurückkehren, wo es hingehörte. Gott, Heiliger Geist – wie auch immer dieses Wesen sich auch nennen mochte – es sollte das zurücknehmen, was es erschaffen hatte. Das Wort würde verschwinden, außerhalb der Reichweite der Engel und weit weg von meiner Welt. Wenn mein Tod dazu nütze war, starb ich gern. Ich wollte Samhiels Wunsch erfüllen.
Der Gedanke tröstete mich, als ich spürte, wie langsam das Leben aus mir wich. Samhiel war da, er hielt mich und das machte das Gehen leichter. Jemand schrie, brüllte. Ich hätte raten können wer es war, aber es bedeutete mir nichts mehr. Wozu sich die Mühe machen?
Die Dunkelheit im Raum kehrte zurück und es wurde ruhiger. Ich schloss zufrieden die Augen. Alles in allem hätte ich mir keinen dramatischeren Tod wünschen können.
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Epilog
Feng nahm den Helm ab. Natasja hatte einen in seiner Größe besorgt. Er gab ihn ihr jetzt zurück. Die Werwölfin saß noch immer auf dem Motorrad, mit dem sie ihn zum Bordell gefahren hatte und nahm stumm den roten Helm entgegen.
Sie nickte leicht und Feng erwiderte es. Dann wandte er sich um und ging die Stufen hinauf. Diesmal hielt ihn der Türsteher nicht auf.
Vor der Tür zu Elandros Büro blieb er stehen. Die großen Hände berührten die Klinke, drückten sie aber nicht herunter. Stattdessen wurde sie von innen geöffnet.
Feng sah sich Elandros gegenüber. Er hatte sich seit dieser Nacht vor zwei Wochen verändert, auch wenn äußerlich keine Veränderung zu sehen war. Elandros Blick war noch immer milchig-trüb.
Wortlos trat Elandros zur Seite und ließ Feng eintreten. Der setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und stützte die Arme auf die Knie. »Du wolltest mich sprechen?«, fragte er leise.
Elandros bewegte sich geschmeidig. Feng hatte damit gerechnet, dass der Vampir sich auf den Drehstuhl hinter den Schreibtisch Platz nehmen würde. Stattdessen zog er einen anderen Stuhl heran und setzte sich neben Feng. Anscheinend schien es auch dem Vampir unbehaglich zu sein, zu nah an der versteckten Tür sitzen.
»Ich wollte mit dir reden. Was ist passiert?« Der Vampir stützte sich auf die Armlehnen des Stuhls. Feng fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare. »Nicht viel«, murmelte er. »Nachdem Kay nach unten gegangen war, explodierte irgendetwas im Raum.«
Elandros nickte. Die Stahltür hatte noch immer eine eindeutige Delle.
»Wir brachen die Tür auf und fanden dich und Feline darin«, fuhr Feng fort. »Du warst ohnmächtig und sie… du weißt es ja selbst. Du hast sie gesehen.«
Feng fuhr sich über das Gesicht. »Ich möchte dir auch eine
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