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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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Stein mit deinem Schicksal verknüpft«, fügte er in geheimnisvollem Ton hinzu.
    Grimpow fing ihn auf. Der Stein fühlte sich trotz der kalten Bergluft warm an.
    »Was soll das heißen, er ist von nun an mit meinem Schicksal verknüpft?«, fragte der Junge verwirrt. So rätselhaft hatte Durlib sich noch nie ausgedrückt.
    »Wenn er ein Talisman ist, dann beschützt er dich vermutlich vor bösen Geistern und bringt dir Glück«, erwiderte Durlib ungerührt.
    »Ich habe doch schon einen Talisman«, entgegnete Grimpow, knöpfte sein Wams auf und zeigte ihm das Leinensäckchen mit den Rosmarinzweigen, das ihm seine Mutter Vorjahren umgehängt hatte.
    »Dann hast du jetzt eben zwei und der böse Blick, Flüche und Gift können dir nichts mehr anhaben. Aber wie du am erstarrten Gesicht dieses Edelmannes erkennen kannst, musst du dich vor der Kälte in Acht nehmen. Offenbar hat ihm der Talisman dagegen nicht viel genützt.«
    Grimpow musste daran denken, dass seine Mutter immer gesagt hatte, er sei im vierzehnten Jahrhundert zur Welt gekommen und der Vollmond, der in der Nacht seiner Geburt am Himmel geleuchtet hatte, habe ihm alles Glück und Wohlergehen verheißen, welches das unselige Schicksal ihr selbst vorenthalten habe. Während der Junge mit den Fingerspitzen über die polierte Oberfläche des Steins strich, dachte er: Nun werden die Prophezeiungen meiner Mutter in Erfüllung gehen. Doch etwas in ihm ließ ihn auch unwägbare Ereignisse befürchten, die er nur dunkel vorausahnte und die ein tiefes Unbehagen in ihm auslösten. Er führte diese Beklemmung auf die Begegnung mit dem toten Edelmann zurück, dessen lebloser Leib vor ihm lag.
    Dabei war dies trotz seines zarten Alters nicht die erste Leiche, die er zu Gesicht bekam. Sobald eine Seuche ausbrach, starben die Menschen in der Gemarkung Uliense wie die Fliegen. Grimpow hatte daher schon die schwarz verfärbten, entstellten Leiber zahlreicher toter Männer, Frauen, Greise und Kinder gesehen, die wie unheimliche Schreckgespenster vor dem Friedhof aufgetürmt gelegen hatten.
    All dies ging Grimpow durch den Sinn, als Durlibs erstaunte Stimme ihn aus seinen Gedanken riss.
    »Sieh dir diese Kostbarkeiten an!«, rief er freudestrahlend.
    Hastig nahm er seinen Fellumhang ab, breitete ihn auf dem Schnee aus und kippte sogleich den Inhalt einer ledernen Satteltasche hinein, die er unter dem Leichnam gefunden hatte. Im Schutz des Nebels blitzten im fahlen Mittagslicht zwei unterschiedlich große Dolche auf, in deren Elfenbeinschäfte Saphire und Rubine eingearbeitet waren. Daneben lagen unzählige Silbermünzen, ein wenig Schmuck, ein versiegelter Brief sowie ein in einer Holzschatulle verwahrtes goldenes Petschaft, womit Könige und Adlige ihre Schriftstücke als echt zu kennzeichnen pflegten.
    »Du willst diese Schätze doch nicht etwa an dich nehmen?«, fragte Grimpow erschrocken beim Anblick der größten Kostbarkeiten, die ihm je unter die Augen gekommen waren.
    Durlib starrte seinen Begleiter verdutzt an. »Was redest du da, Grimpow! Wir sind Landstreicher und Diebe! Hast du das etwa vergessen?«
    »Aber keine Leichenschänder«, gab der Junge unerwartet bestimmt zurück.
    »Ich bitte dich!«, erwiderte Durlib versöhnlich. »In meinem langen, elenden Leben als Geächteter und gemeiner Wegelagerer hat mir der Himmel noch nie einen so wertvollen Schatz wie diesen hier vor die Füße gelegt, ohne dass ich dafür Kopf und Kragen aufs Spiel setzen musste. Und jetzt verlangst du von mir, dass ich die Kostbarkeiten nicht an mich nehme? Bist du denn verrückt geworden, mein Junge?«, wollte er erregt wissen.
    Grimpow ließ den Stein in der Hand kreisen und suchte nach Argumenten, um Durlib von seinen Absichten abzubringen.
    »Wir haben keine Ahnung, wer dieser Mann ist, woher er stammt und wie er in diese Gegend geraten ist. Vielleicht weiß sogar jemand Bescheid, dass er hier vorbeigekommen ist, und macht sich bald auf die Suche nach ihm.«
    »Der Neuschnee hat sämtliche Spuren verwischt, darüber brauchst du dir also keine Sorgen zu machen«, erwiderte Durlib, um ihn zu beruhigen.
    »Und sein Pferd?«, hakte Grimpow nach.
    »Darum werden sich die Wölfe kümmern, falls er überhaupt ein Pferd hatte.«
    »Die Wölfe können weder die Zügel noch den Sattel fressen. Wenn die Sachen gefunden werden, wird man uns des Mordes bezichtigen, und wir müssen eines elenden Todes sterben«, erklärte Grimpow schlagfertig.
    »Daran habe ich gar nicht gedacht«, räumte Durlib ein

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