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Gucci war gestern

Titel: Gucci war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jen Lancaster
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und das weißt du genauso gut wie ich«, stelle ich ganz nüchtern fest. »Und irgendwann wird Corp. Com. schon noch dahinterkommen, wie nutzlos du bist.«
    Mit Tränen in den Augen kläfft Kathleen: »Das wäre alles. Ich gebe dir fünf Minuten, um deinen Schreibtisch auszuräumen, danach muss ich dich leider hinausbringen lassen.«
    Stumm stapfe ich aus ihrem Büro und kehre in meine kleine Arbeitsecke zurück, wo ich ohne Umschweife jedes einzelne Dokument vernichte, das ich je auf diesem Rechner getippt habe. Diese Zeit hat mir keiner bezahlt, und unter keinen Umständen wird irgendjemand anderes von meinem geistigen Eigentum profitieren. Zack! Weg sind meine Tabellen. Zapp! Wir sehen uns in der Hölle, Querverweis-Kundendatenbank! Bing! Auf Wiedersehen, Fallstudien! Puff! Au revoir, preisgekröntes Marketingmaterial! Und zum krönenden Abschluss lösche ich mit einem Trick, den Fletch mir beigebracht hat, die gesamte Festplatte. Die brauchen einen Computerforensiker, wenn sie noch mal an meine Informationen ranwollen. Kurz überlege ich, das gesamte Netzwerk auszuschalten, aber dann beherrsche ich mich mit einiger Mühe. 52
    Achtlos werfe ich Handy, Organizer und Büroschlüssel auf den Schreibtisch und schaue mich ein letztes Mal um. Dann nehme ich meine Handtasche und beschließe, meinen gesamten Schreibtischnippes wegzuwerfen. Die Dr. Evil-Actionfigur ist mir ohnehin schnurz, und ich will nicht zu den armseligen Gestalten gehören, die man inzwischen tagtäglich auf der Straße sieht, die sich schluchzend an einen Karton voller Schuhe, Zimmerpflanzen und Kinderbilder klammern.
    Gerade als ich in netter Begleitung zur Tür gebracht werde, kommt Courtney vorbei. Sie kapiert sofort, was los ist, und eine einzelne dicke Träne kullert ihr über die Wange und bahnt sich
einen Weg durch das Make-up. »Wie soll ich denn ohne dich meine Arbeit machen?«, fragt sie.
    »Darüber musst du mit Kathleen reden«, sage ich. »Ruf mich nachher mal an.«
    Im Taxi auf dem Weg nach Hause versuche ich mir einzureden, dass alles halb so schlimm ist. Ich bin klug, gesund und talentiert, stimmt’s? Ich meine, man muss sich doch nur mal anschauen, was ich quasi völlig ohne Unterstützung des hiesigen Managements in nur einem Jahr alles auf die Beine gestellt habe. Ich habe es allen gezeigt! Ich habe den nationalen Marktführerpreis gewonnen! Jede Firma wäre froh, jemanden im Team zu haben, der so ehrgeizig ist wie ich. Eigentlich müsste ich im Handumdrehen einen neuen Job finden.
    Und wissen Sie was? Vielleicht finde ich ja sogar eine viel bessere Stelle, wo ich mich nicht mit Arty-der-Spacko und gefühlskalten Verkaufsleiterinnen und dämlichen PR-Nulpen herumschlagen muss. Wo ich ein nettes Gehalt und ein eigenes Büro bekomme und kleine Assistentinnen, die mir den Kaffee holen. Alles wird gut.
    Aber als das Taxi vor dem Firmengebäude losfährt, trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Meine schöne Couch kann ich mir erst mal abschminken.
    Und dann fange ich doch noch an zu heulen.

4
    Geschüttelt, nicht gerührt
    Aus der Feder von Miss Jennifer Lancaster
     
    1. Februar 2002
    Lieber Rush Limbaugh,
    seit zehn Jahren bin ich eine treue, begeisterte Hörerin Ihrer Radiosendung, und nicht nur das. Sie waren für mich Grund und Ansporn, Politikwissenschaft zu studieren. Während des Studiums habe ich Ihre Argumente mit wachsender Begeisterung gegen meine marxistischen Professoren verwendet! (Mal ehrlich, wer gegen den Kapitalismus ist, kann einfach noch nie zum Schuheshoppen bei Nordstrom gewesen sein.) Kurz gesagt, ich bin selten anderer Meinung als Sie. Allerdings habe ich gehört, dass Sie strikt gegen die Pläne des Präsidenten sind, die Arbeitslosenunterstützung auszuweiten. Warum das? Sind Sie der Meinung, sämtliche Arbeitslosen seien ungewaschene Hippies und vollauf damit beschäftigt, dem großen Vorsitzenden Mao zuzuarbeiten, weshalb sie keiner geregelten Erwerbsarbeit nachgehen können? Das stimmt nämlich ganz und gar nicht.
    Mein Unternehmen hat mich Ende September freigestellt, mit Verweis auf die Terrorangriffe auf die USA: (Was, nebenbei bemerkt, völliger Schwachsinn ist. Viele Unternehmen haben den 11. September als bequeme Ausrede benutzt, um gute Mitarbeiter loszuwerden, ohne wie völlige
Unmenschen dazustehen.) Seit ich »stempeln gehe«, habe ich mich auf Hunderte von Stellenanzeigen beworben, Dutzende von Netzwerkveranstaltungen besucht, mich bei jedem einzelnen Arbeitsvermittlungsportal im Internet

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