Gwen (German Edition)
ihn nur verunsichert an. Dann brachte sie doch raus: „Wir wollen, wir ver…“, sie schluckte, „wir verlangen, bei der Konferenz angesprochen, nein, ich meine, angehört zu werden.“
„So, VERLANGEN Sie das ?“ Plötzlich grinste er. „Von einer klugen Frau hab ich mal einen Spruch gehört: Sei vorsichtig, um was du bittest, es könnte dir gewährt werden.“
Dann nahm Dirk dem Typen neben ihm, der sich gerade ans Fabriktor ketten wollte, die Handschellen aus den Flossen. Weder Dirks Großkunden noch die Medien sollten ihm vorwerfen können, er würde die Umweltschützer bei seiner Konferenz nicht zu Wort kommen lassen. Dass dabei die verschüchterte kleine Rothaarige sicher keinen zusammenhängenden Satz rausbringen würde, war schließlich nicht seine Schuld.
Gwen war der Aktion mit gemischten Gefühlen begegnet.
Einerseits stimmte sie mit Helen , Alfred, Lutz und natürlich mit Mark darin überein, dass etwas geschehen musste, und stand voll hinter der Sache, andererseits hasste sie den Gedanken, sich als Mediensensation ins Licht der Öffentlichkeit zu drängen. Und Helen hatte dafür gesorgt, dass genügend Journalisten da waren! Sogar Leute vom Fernsehen mit Kameramännern.
Mit Wissenschaftlern und zur Not auch mit Medienvertretern objektiv über die Problematik der Gewässerverschmutzung zu diskutieren, das war Gwens Stil, doch nicht, sich mit spektakulären Aktionen zu profilieren. Aber schließlich war sie doch mitgegangen.
Um sich wenigstens nicht am Firmentor festketten zu müssen, hatte sie Helen einen Stapel Flu gblätter abgenommen und war gerade dabei, diese an Passanten und Presseleute zu verteilen, als sich Statlers Gestalt vor ihr auftürmte. Anders als sie es erwartet hatte, denn schließlich fand heute eine für ihn wichtige Tagung statt, trug er keinen Anzug, sondern Jeans und ein helles Baumwollhemd, die Ärmel über die muskulösen Unterarme gekrempelt.
Nachdem er sie angeherrscht und sie ihm nervös - aber wenigstens sachlich - ihr Anliegen vorgetragen hatte, war sie verdutzt zusammengezuckt, als Statler plötzlich dem erstaunten Lutz die Handschellen aus den Fingern riss.
Gwens Verblü ffung steigerte sich, als Statler vor ihr in die Hocke ging. Offenen Mundes sah sie herab auf seine für einen Schreibtischtäter zu breiten Schultern und seine braunen, für einen Firmeninhaber zu langen und zu ungestylten Haare. Zu spät merkte Gwen, wie sich ein Arm um ihre Knie legte.
Auf einmal verlor sie den Boden unter den Füßen und lag über Statlers Schulter. Ihr Oberkö rper baumelte seinen Rücken herab. Der erbarmungslose Klammergriff seines rechten Armes nahm dem entsetzten Kicken ihrer Beine jegliche Wirkung.
Statler setzte sich in Bewegung, währe nd Gwens Flugblätter wie ein umweltschutzpapiergrauer Kondensstreifen hinterher wehten. Gwens Haare wippten bei jedem Schritt gegen Statlers Oberschenkel und blockierten den größten Teil ihres Gesichtsfeldes. Sie tobte, drosch mit Fäusten auf ihn ein, doch nichts verlangsamte seinen Marsch.
Sie passierten den Eingang zum Firmengebäude. Statlers Turnschuhe quietschten endlose Korr idore entlang, die Gwens Schreien eine gute Akustik boten. Mit einer Hand krallte sie sich in Statlers Ledergürtel, um mit der anderen besser auf ihn einschlagen zu können. Sie haute, biss und kratzte. Der dünne Stoff seines Hemdes konnte ihrer Notwehr nichts entgegensetzen.
Doch Statler schleppte sie unbeirrt weiter.
Der Weg führte eine breite Treppe hinauf, auf der ihnen zahlreiche Leute begegneten. Gwen konnte nur deren Füße erkennen, die weißen Hosen der Techniker, die dezenten Pumps der weiblichen Büroangestellten, schwarze Lackschuhe von Herren in grauem Flanell. Alle blieben sofort stehen. Die Schuhe starrten Gwen an, drehten sich nach ihr um. Einige nahmen sogar die Verfolgung auf, doch nein, das waren keine Firmenangestellten, die da hinter ihr herliefen und immer näher kamen, das waren Helens Reporter. Oh, mein Gott!
Plötzlich machte Statler eine Rechtswendung und kam vor einer großen Tür zum Stehen, die er mit seiner freien Hand öffnete. Gwen spreizte die Arme und bekam einen Teil des Türrahmens zu fassen. Daran krallte sie sich nun mit aller Kraft fest. Mit einem Ruck seines Oberkörpers löste Statler diesen Griff. Gwen verspürte das hässliche Gefühl von abbrechenden Fingernägeln.
Ein Zucken von Statlers Schulter brachte Gwens Körper wi eder in eine stabile Position. Dann betrat Statler einen unübersichtlichen
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