Harka der Sohn des Haeuptlings
Krieger, die von dem Geheimnis aus dem Schlauch überwältigt waren – nein, Harka konnte nicht weiterdenken. Er konnte nicht weiterdenken, denn das, was er sich jetzt hätte vorstellen müssen, war unmöglich. Es konnte nicht geschehen. Niemals konnte es geschehen. Niemals und nirgends konnte der Häuptling Mattotaupa unterliegen und zum Gespött eines anderen werden. Das konnte nicht sein.
»Hast du Mut, Mattotaupa?« fragte der Weiße.
Der Häuptling lächelte mitleidig. »Zweifelst du daran?«
»Du wirst dich mit mir messen?« »Hau, das werde ich. Ich habe gesehen, daß du viermal den Becher ausgetrunken hast und guten Mutes bist. Du trinkst das fünftemal, ich trinke das erstemal. Du bist es gewohnt, dieses Geheimniswasser zu dir zu nehmen, ich bin es nicht gewohnt. Das gleicht sich aus. Also gieße ein!«
Harka konnte von seinem verborgenen Platz vieles, aber nicht alles im Zelt übersehen. Er hatte den Eindruck, als ob The Red nicht aus dem gleichen Schlauch wie bisher, sondern aus einem anderen in den Becher eingieße, aber das mochte auch nur eine Täuschung sein, und Harkas Gedanken blieben nicht bei dieser Frage stehen. Er vergaß die flüchtige Beobachtung wieder, da die anderen Vorgänge seine Aufmerksamkeit ganz in Anspruch nahmen. Der rothaarige Bursche reichte dem Häuptling soeben einen gefüllten Becher, und dieser trank in einem Zuge, ohne eine Miene zu verziehen und ohne abzusetzen, bis zur Neige.
Als Mattotaupa den Becher geleert hatte, reichte er ihn dem Burschen zurück, und dieser füllte ihn wieder und trank ihn ebenfalls in einem Zuge aus. Dann schauten sich die beiden an, ganz bei Sinnen mit einem leisen Lächeln. »Noch einen?« fragte The Red.
»Noch einen!« verlangte der Häuptling. »Dein Miniwaken schmeckt sonderbar, aber kalt und frisch als ob es eben aus dem Bach geschöpft sei.«
»Du bist ein starker Mann, Mattotaupa. Was deine Krieger und du getrunken haben, ist mehr als Bachwasser. Diese deine Krieger, die hier herumliegen, speien, husten und schnarchen, würden von eurem Bachwasser nicht überwältigt worden sein.«
»Gewiß nicht. Das Geheimnis deines Wassers scheint ein ganz verborgenes Geheimnis zu sein!«
»So ist es, Häuptling!«
Mattotaupa und The Red tranken zum zweitenmal, und dann lachten sie beide, der Häuptling auf seine freundliche gewinnende Art und sein Gegenüber mit einem tiefen Ton voller Befriedigung.
»Wir sind die Sieger!« sagte The Red. »Du wirst aber sehen, Häuptling, daß du diesen Trunk nicht nur vertragen hast, sondern daß du dich morgen doppelt so stark fühlen wirst!«
»Hau, gut. Ich werde lernen, mit dem Mazzawaken zu schießen, und bei dem Jagdfest morgen werden wir alle unsere Kräfte an deinem Miniwaken erproben!«
Mattotaupa holte die Waffe herbei und ließ sich von dem Weißen die Handhabung vorsorglich erklären, immer wieder und immer noch einmal.
Harka war glücklich.
Der Argwohn Tschetans und Kraushaars hatte sich als ganz und gar unbegründet erwiesen. Das Miniwaken des rothaarigen Mannes war kein Gift. The Red hatte die Wahrheit gesprochen. Dieses Wasser schied die Schwachen von den Starken. The Red, der Meisterschütze, und Mattotaupa, der große Bärenjäger, gehörten zu den Starken, die das Geheimnis nach Belieben zu sich nehmen konnten. Sie wurden nur noch stärker dadurch.
Alte Antilope aber und die anderen Krieger waren jämmerlich unterlegen, und Harka bedauerte Untschida und Uinonah, die am kommenden Tag das Zelt reinigen mußten.
Der Knabe verließ seinen verborgenen Platz. Er stand auf, und er fühlte sich dabei ganz frei. Sein Ungehorsam gegen die Anordnung des Vaters erschien ihm nicht als etwas Böses, denn er hatte dadurch Gutes erfahren und konnte Schonkas Verleumdungen kräftig und sicher zurückweisen. Den Sieg des Vaters und die Aufrichtigkeit des rothaarigen Meisterschützen hatte er heimlich miterlebt, und wenn Harka daran zurückdachte, wie sich Alte Antilope ins Feuer gesetzt und das verschmierte Haar an der Hose eines Kriegers abgerieben hatte, so mußte er wieder vor sich hin lachen. Am Himmel standen noch die Sterne, der Nachtwind wehte und strich auch um die Trophäenstange vor dem Zaubertipi, an der das Mazzawaken des Pani hing. Harka betrachtete die alte Waffe ohne Bedauern. Er besaß jetzt eine bessere, und am kommenden Morgen würde er damit üben.
Mattotaupa und Tatanka-yotanka sollten erleben, wie ein Dakotajunge mit der Geheimniswaffe nicht nur schießen, sondern auch genau zu
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