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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hierbleiben!« lud Tschetan ein. »Wir schlafen zusammen!«
    »Mit Harka, dem Bärenjäger!« rief Kraushaar, dem es leid tat, daß er den Freund gekränkt hatte.
    Die Kinder wickelten sich in die Decken.
    Draußen ging das Gewitter nieder, ohne den Zelten Schaden zu tun.
    Harka war müde wie ein abgetriebenes Pferd. Er schlief schnell ein. Aber noch im Einschlafen faßte er den Entschluß, daß er um Mitternacht wieder aufwachen und sich vergewissern wollte, was Schonka tat. Vielleicht schlief dieser Hund nicht, sondern schlich wieder um das Häuptlingszelt herum, um Böses anzustiften. Das mußte Harka wissen, und wenn es der Fall war, mußte auch Mattotaupa davon erfahren. Harka wollte nicht dem Befehl des Vaters ungehorsam sein, aber er wollte den Vater vor Spinnen beschützen, die unsichtbar ihre Fäden um ihn zogen. Harka erwachte kurz vor Mitternacht, wie er beim Einschlafen beschlossen hatte. Er schlich sich aus dem Tipi. Nur Uinonah bemerkte es, aber Harka konnte sich darauf verlassen, daß die Schwester schweigen würde. Wenn sie wollte, konnte sie ganz still und scheinbar ohne Leben sein wie die Prärie in Frost und Schnee.
    Der Junge war unter einer Zeltplane durchgekrochen und stand jetzt zwischen den nächtlich-schwarzen Schatten der vielen Tipis. Langsam, mit dem lautlosen Schritt des Indianers, näherte er sich dem Dorfplatz und den Zelten Hawandschitas und Mattotaupas. Die Schlitze des Häuptlingszeltes ließen einen hellen Schein durch, dort war das Feuer im Innern noch angefacht. Seltsame Geräusche drangen heraus. Hawandschitas Zelt aber blieb dunkel und stumm …
    Der Knabe schlich umher und spähte nach Schonka. Er konnte ihn nicht entdecken.
    Schließlich ging er auf das väterliche Tipi zu.
    Er kämpfte schwer mit sich. Schonka war ungehorsam gewesen. Harka wollte das nicht sein. Aber es war, als ob das Böse, das Schonka getan hatte, auch Harka zum Bösen zwinge. Harka wollte sichergehen. Er glaubte, daß er unbedingt und sicher wissen müsse, was Schonka gewußt zu haben schien und nicht ausgesprochen hatte. Wenn Harka den Vater beschützen wollte, durfte er nicht unwissend bleiben.
    Harka kämpfte noch immer mit sich, aber dann war es plötzlich geschehen. Er legte sich beim Zelt auf den Boden und spähte und horchte nach einer Stelle, die er kannte, unter der Plane der Zeltrückwand ins Innere hinein.
     
     
     

 
Schwere Entscheidung
     
    Als Harka in das Zelt hineinspähte, sah und hörte er die Männer darin Dinge tun, wie er sie noch nie gesehen und gehört hatte. Von den fünf Gästen aus dem Dorf, die zu Mattotaupa gekommen waren, benahm sich Alte Antilope am sonderbarsten. Er stand zwischen Feuer und Zeltwand, hatte die Beine gespreizt und den Oberkörper vorgebeugt und schwankte. Jeden Augenblick schien es, daß er umfallen würde. Bald legte er das Gewicht auf die Zehen, bald auf die Fersen. Dabei begann er unmäßig zu lachen. Sein Lachen dröhnte im Zelt, und der Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln. Er tat so, als ob er auf dem Boden etwas sehe, was kein anderer sah, er deutete mit dem Finger auf die Feuerstelle und rief zwischen seinem unmäßigen Gelächter immer wieder: »Der Bär, der Bär! Da sitzt der Bär im Feuer und wärmt sich seine Tatzen! Er wärmt sich seine Tatzen! Seht ihr nicht?« Auf einmal hörte Alte Antilope auf zu lachen. Seine Stimme wurde kläglich, und schließlich heulte er auf. »Er wärmt sich seine Tatzen, ach, der Bär, und ihr wollt ihm seine Tatzen wegessen, pfui über euch. Tatzen wegessen, dem großen guten Bär – seht ihr ihn nicht!«
    Neben Alte Antilope lag der älteste der Rabenbrüder auf dem Boden. Er hatte die Augen geschlossen und schnarchte laut. Sein Vater, der Rabe, erbrach sich soeben, so daß es im Zelte zu stinken begann. Er schämte sich gar nicht, sich auf einer Büffelhautdecke zu erbrechen, statt daß er hinaus an den Bach ging! Harka kannte die Sitte der Krieger, rohe Hundeleber zu essen und zu erproben, wer am meisten davon hinunterschlingen konnte, ehe ihm schlecht wurde. Die Jungen hatten ihren Spaß daran gehabt, wenn einer nach dem anderen der Männer in die Büsche ging, weil er sich übergeben mußte. Aber nie hatte einer ein Zelt beschmutzt. Die Krieger waren heute nacht wohl ganz von Sinnen! »Der Bär – der gute Bär!« plärrte Alte Antilope immer noch, und auf einmal fing er an, im Kreis rückwärts zu wanken. Er verlor das Gleichgewicht, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und setzte sich

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