Harry Potter - Gesamtausgabe
Elderstab empor, und Ron und Hermine blickten ihn mit einer Ehrfurcht an, die Harry, so benebelt und schlafbedürftig er auch war, nicht gerne sah.
»Ich will ihn nicht haben«, sagte Harry.
»Was?«, sagte Ron laut. »Bist du verrückt?«
»Ich weiß, er ist mächtig«, erwiderte Harry müde. »Aber mit meinem eigenen war ich glücklicher. Also …«
Er stöberte in dem Beutel um seinen Hals und zog die beiden Hälften des Stechpalmenstabs hervor, die nach wie vor bloß von einer äußerst feinen Faser einer Phönixfeder zusammengehalten wurden. Hermine hatte gesagt, er könne nicht repariert werden, der Schaden sei zu gravierend. Er wusste nur, wenn dies nicht funktionieren würde, dann würde gar nichts helfen.
Er legte den zerbrochenen Zauberstab auf den Schreibtisch des Schulleiters, berührte ihn mit der äußersten Spitze des Elderstabs und sagte: »Reparo.«
Als der Zauberstab sich wieder zusammenfügte, stoben rote Funken aus seinem Ende hervor. Harry wusste, dass es ihm gelungen war. Er nahm den Zauberstab aus Stechpalme und Phönixfeder hoch und spürte eine plötzliche Wärme in seinen Fingern, als ob Zauberstab und Hand sich darüber freuten, dass sie wieder vereint waren.
»Den Elderstab«, sagte er zu Dumbledore, der ihn mit größter Zuneigung und Bewunderung beobachtete, »bringe ich wieder dorthin, wo er herkam. Dort kann er bleiben. Wenn ich eines natürlichen Todes sterbe, wie Ignotus, wird seine Macht gebrochen sein, nicht wahr? Der letzte Herr ist dann nie besiegt worden. Das wird sein Ende sein.«
Dumbledore nickte. Sie lächelten einander an.
»Bist du sicher?«, sagte Ron. Eine winzige Spur Sehnsucht lag in seiner Stimme, während er den Elderstab betrachtete.
»Ich glaube, Harry hat Recht«, sagte Hermine leise.
»Dieser Zauberstab ist den ganzen Ärger nicht wert«, sagte Harry. »Und ganz ehrlich«, er wandte sich von den gemalten Porträts ab und dachte jetzt nur noch an das Himmelbett, das im Gryffindor-Turm auf ihn wartete, wobei er sich fragte, ob Kreacher ihm vielleicht ein Sandwich dort hinaufbringen würde, »ich hatte für mein Leben genug Ärger.«
Neunzehn Jahre später
Dieses Jahr schien es überraschend schnell Herbst zu werden. Der Morgen des ersten September war frisch und golden wie ein Apfel, und während die kleine Familie über die holprige Straße auf den großen verrußten Bahnhof zuwackelte, glitzerten der Qualm von Autos und der Atem der Fußgänger wie Spinnennetze in der kalten Luft. Zwei große Käfige klapperten oben auf den schwer beladenen Gepäckwagen, die die Eltern schoben: Die Eulen darin schrien empört, und das rothaarige Mädchen, das sich an den Arm ihres Vaters geklammert hatte, lief heulend hinter ihren Brüdern her.
»Nicht mehr lange, dann darfst du auch gehen«, sagte Harry zu ihr.
»Zwei Jahre«, schniefte Lily. »Ich will jetzt gehen!«
Die Pendler starrten neugierig auf die Eulen, als sich die Familie auf die Absperrung zwischen den Bahnsteigen neun und zehn zuschlängelte. Mitten in all dem Lärm wehte Albus’ Stimme zu Harry zurück; seine Söhne hatten den Streit fortgesetzt, den sie im Auto begonnen hatten.
»Ich will nicht! Ich will nicht nach Slytherin!«
»James, nun lass mal gut sein!«, sagte Ginny.
»Ich hab nur gesagt, dass es bei ihm sein könnte« , erwiderte James und grinste seinen jüngeren Bruder an. »Das stimmt doch auch. Er könnte nach Slytherin kommen –«
Aber James begegnete dem Blick seiner Mutter und verstummte. Die fünf Potters steuerten auf die Absperrung zu. Mit einem etwas hochnäsigen Blick über die Schulter auf seinen jüngeren Bruder übernahm James den Wagen von seiner Mutter und rannte los. Einen Moment später war er verschwunden.
»Ihr schreibt mir doch?«, fragte Albus sofort seine Eltern, indem er es ausnutzte, dass sein Bruder für kurze Zeit nicht dabei war.
»Jeden Tag, wenn du möchtest«, sagte Ginny.
»Nicht jeden Tag«, sagte Albus rasch. »James meint, dass die meisten nur etwa einmal im Monat Briefe von zu Haus kriegen.«
»Wir haben James letztes Jahr dreimal die Woche geschrieben«, sagte Ginny.
»Und glaub am besten nicht alles, was er dir über Hogwarts erzählt«, warf Harry ein. »Der macht gerne mal Späße, dein Bruder.«
Seite an Seite schoben sie den zweiten Gepäckwagen und beschleunigten allmählich ihre Schritte. Als sie die Barriere erreichten, zuckte Albus, doch der Zusammenprall blieb aus. Stattdessen tauchte die Familie auf Bahnsteig neundreiviertel
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