Harry Potter und der Gefangene von Askaban
selbst. Denk an Hogsmeade. Sag nichts. Steh nicht auf –
Tante Magda griff nach ihrem Weinglas.
»Das ist eine Grundregel der Zucht«, sagte sie. »Bei Hunden kann man es immer wieder beobachten. Wenn etwas mit der Hündin nicht stimmt, wird auch mit den Welp–«
In diesem Augenblick explodierte das Weinglas in Tante Magdas Hand. Scherben stoben in alle Richtungen davon und Tante Magda prustete und blinzelte und von ihrem großen geröteten Gesicht tropfte der Wein.
»Magda!«, kreischte Tante Petunia. »Magda, hast du dir was getan?«
»Keine Sorge«, grunzte Tante Magda und wischte sich mit der Serviette das Gesicht. »Muss es wohl zu fest gedrückt haben. Ist mir letztens auch bei Oberst Stumper passiert. Kein Grund zur Aufregung, Petunia, ich hab einen ziemlich festen Griff –«
Doch Tante Petunia und Onkel Vernon sahen Harry misstrauisch an, und so beschloss er den Nachtisch lieber wegzulassen und der Tischrunde so bald wie möglich zu entfliehen.
Draußen im Flur lehnte er sich gegen die Wand und atmete tief durch. Es war schon lange her, dass er die Beherrschung verloren und etwas hatte explodieren lassen. Das durfte ihm auf keinen Fall noch mal passieren. Die Erlaubnis für Hogsmeade war nicht das Einzige, was auf dem Spiel stand – wenn er so weitermachte, würde er auch noch Schwierigkeiten mit dem Zaubereiministerium kriegen.
Harry war immer noch ein minderjähriger Zauberer und es war ihm nach dem Zauberergesetz verboten, außerhalb der Schule zu zaubern. Er hatte zudem keine ganz weiße Weste. Erst letzten Sommer hatte er eine offizielle Verwarnung bekommen, in der es klar und deutlich hieß, falls das Ministerium noch einmal von Zauberei im Ligusterweg Wind bekäme, würde ihm der Schulverweis von Hogwarts drohen.
Er hörte die Dursleys aufstehen und verschwand rasch nach oben.
Die nächsten Tage überstand Harry, indem er sich zwang, an sein Do-it-yourself-Handbuch zur Besenpflege zu denken, wann immer Tante Magda es auf ihn anlegte. Das klappte ganz gut, auch wenn sein Blick dabei offenbar etwas glasig wurde, denn Tante Magda begann die Meinung zu äußern, er sei geistig unterbelichtet.
Endlich, nach einer Ewigkeit, brach der letzte Abend von Tante Magdas Aufenthalt an. Tante Petunia kochte ein schickes Essen und Onkel Vernon entkorkte mehrere Flaschen Wein. Sie schafften es durch die Suppe und den Lachs, ohne Harrys Charaktermängel auch nur mit einem Wort zu erwähnen; bei der Zitronen-Meringe-Torte langweilte Onkel Vernon alle mit einem Vortrag über Grunnings, seine Bohrerfirma. Dann kochte Tante Petunia Kaffee und Onkel Vernon stellte eine Flasche Kognak auf den Tisch.
»Ein Schlückchen, Magda?«
Tante Magda hatte dem Wein bereits ausgiebig zugesprochen. Ihr riesiges Gesicht war puterrot.
»Aber nur ein winziges, bitte«, kicherte sie. »Noch ein wenig – und noch ein bisschen – so ist es fein.«
Dudley verspeiste sein viertes Stück Torte. Tante Petunia schlürfte mit abgespreiztem kleinem Finger an ihrem Kaffee. Harry wollte sich eigentlich in sein Zimmer verziehen, doch als er in Onkel Vernons zornige kleine Augen blickte, wusste er, dass er es aussitzen musste.
»Aah«, sagte Tante Magda, stellte das leere Glas auf den Tisch und leckte sich die Lippen. »Ausgezeichneter Schmaus, Petunia. Normalerweise wärm ich mir abends nur was auf, wo ich mich doch um zwölf Hunde kümmern muss …« Sie rülpste herzhaft und tätschelte ihren runden tweedbedeckten Bauch. »Verzeihung. Aber ich für meinen Teil sehe gern einen Jungen, der gut beieinander ist«, fuhr sie fort und zwinkerte Dudley zu. »Du wirst sicher mal ein stattlicher Mann, Dudders, wie dein Vater. Ja, danke, Vernon, noch ein winziges Schlückchen Kognak …«
»Aber der da –«
Sie ruckte mit dem Kopf in Richtung Harry, dessen Magen sich verkrampfte.
Das Handbuch, dachte er rasch.
»Der da hat ein fieses, zwergenhaftes Aussehen. Das sieht man auch bei Hunden. Letztes Jahr hab ich Oberst Stumper einen ertränken lassen. Rattiges kleines Ding. Schwach. Unterzüchtet.«
Harry versuchte sich Seite zwölf seines Buches in Erinnerung zu rufen: Ein Zauber zur Kur renitenter Rückwärtsgänger .
»Alles eine Frage des Blutes, sag ich immer. Schlechtes Blut zeigt sich einfach. Nun, ich will nichts gegen eure Familie sagen, Petunia –«, sie tätschelte Tante Petunias Hand mit ihrer eigenen schaufelgroßen, »– aber deine Schwester war ein faules Ei. Kommt in den besten Familien vor. Dann ist sie mit diesem
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