Harry Potter und der Halbblutprinz
Dumbledore. »Aber jedenfalls etwas Beunruhigenderes als Blut und Leichen.«
Dumbledore schob den Ärmel seines Umhangs über seine geschwärzte Hand zurück und streckte die Spitzen seiner verbrannten Finger nach der Oberfläche des Zaubertranks aus.
»Sir, nein, nicht berühren –!«
»Ich kann es nicht berühren«, sagte Dumbledore und lächelte matt. »Siehst du? Ich komme nicht näher heran als bis hier. Versuch du es.«
Mit starrem Blick steckte Harry seine Hand in das Becken und versuchte den Zaubertrank zu berühren. Er traf auf eine unsichtbare Blockade, die verhinderte, dass er näher als drei Zentimeter herankam. Wie heftig er auch drückte, seine Finger stießen nur auf etwas wie feste und unnachgiebige Luft.
»Geh bitte zur Seite, Harry«, sagte Dumbledore.
Er hob seinen Zauberstab und machte komplizierte Bewegungen über der Oberfläche des Tranks, wobei er stumm die Lippen bewegte. Nichts geschah, außer dass der Zaubertrank vielleicht ein wenig heller leuchtete. Harry schwieg, während Dumbledore beschäftigt war, doch nach einer Weile zog Dumbledore seinen Zauberstab zurück, und Harry hatte den Eindruck, dass er getrost wieder etwas sagen konnte.
»Glauben Sie, dass der Horkrux dadrin ist, Sir?«
»O ja.« Dumbledore schaute noch genauer in das Becken. Harry sah sein Gesicht kopfüber in der glatten Oberfläche des grünen Tranks gespiegelt. »Aber wie kommen wir an ihn heran? Dieser Zaubertrank kann nicht von Hand durchdrungen werden, zum Verschwinden gebracht, geteilt, leer geschöpft oder abgesaugt werden, und auch nicht verwandelt, verzaubert oder auf irgendeine andere Art dazu gebracht werden, seine Beschaffenheit zu ändern.«
Beinahe geistesabwesend hob Dumbledore erneut seinen Zauberstab, ließ ihn einmal durch die Luft wirbeln und fing den Kristallkelch auf, den er aus dem Nichts heraufbeschworen hatte.
»Ich kann nur zu dem Schluss kommen, dass dieser Zaubertrank getrunken werden soll.«
»Was?«, sagte Harry. »Nein!«
»Doch, ich denke schon: Nur indem ich ihn trinke, kann ich das Becken leeren und sehen, was auf seinem Grund liegt.«
»Aber wenn – wenn er Sie tötet?«
»Oh, ich bezweifle, dass dies seine Wirkung ist«, sagte Dumbledore leichthin. »Lord Voldemort würde die Person, die diese Insel erreicht, nicht töten wollen.«
Harry war fassungslos. War dies ein neues Beispiel für Dumbledores verrückte Entschlossenheit, in jedem nur das Gute zu sehen?
»Sir«, sagte Harry und versuchte seine Stimme überzeugend klingen zu lassen, »Sir, es geht hier um Voldemort –«
»Verzeihung, Harry, ich hätte besser sagen sollen, er würde die Person, die diese Insel erreicht, nicht sofort töten wollen«, korrigierte sich Dumbledore. »Er würde sie lange genug am Leben lassen, um herauszufinden, wie sie es geschafft hat, so weit durch seine Abwehrzauber zu dringen, und vor allem, warum sie so erpicht darauf war, das Becken zu leeren. Vergiss nicht, dass Lord Voldemort glaubt, nur er allein wisse von seinen Horkruxen.«
Harry wollte wieder etwas sagen, aber diesmal hob Dumbledore seine Hand, um ihm Schweigen zu gebieten. Er sah mit einem leichten Stirnrunzeln auf die smaragdgrüne Flüssigkeit und dachte offenbar scharf nach.
»Es gibt keinen Zweifel«, sagte er schließlich, »dass dieser Zaubertrank auf eine Art wirken muss, die mich daran hindert, den Horkrux wegzunehmen. Er könnte mich lähmen, mich vergessen machen, wozu ich eigentlich hier bin, mir so viel Schmerzen bereiten, dass ich abgelenkt werde, oder mich auf irgendeine andere Weise handlungsunfähig machen. Sollte dies der Fall sein, Harry, ist es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich weitertrinke, selbst wenn du den Trank in meinen aufbegehrenden Mund leeren musst. Hast du verstanden?«
Ihre Blicke trafen sich über dem Becken; beide blassen Gesichter waren von jenem seltsamen grünen Licht erhellt. Harry sagte nichts. War das der Grund, weshalb er hatte mitkommen dürfen – damit er Dumbledore mit Gewalt einen Zaubertrank einflößen konnte, der ihm vielleicht unerträgliche Schmerzen bereitete?
»Du erinnerst dich«, sagte Dumbledore, »an die Bedingung, unter der ich dich mitgenommen habe?«
Harry zögerte und blickte in die blauen Augen, die das Licht des Beckens grün widerspiegelten.
»Aber was, wenn –?«
»Du hast geschworen, jeden Befehl zu befolgen, den ich dir erteilen würde, richtig?«
»Ja, aber –«
»Ich habe dich gewarnt, dass es gefährlich werden könnte,
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