Harry Potter und der Halbblutprinz
Gesichts fühlte sich bald wund und taub an. Die Straße zum Dorf war voller Schüler, die sich gegen den bitterkalten Wind krümmten. Mehr als einmal fragte sich Harry, ob es ihnen im warmen Gemeinschaftsraum nicht besser ergangen wäre, und als sie endlich in Hogsmeade ankamen und feststellten, dass Zonkos Scherzartikelladen mit Brettern zugenagelt worden war, sah sich Harry bestätigt, dass dieser Ausflug keinen Spaß machen würde. Ron deutete mit einer dick behandschuhten Hand auf den Honigtopf, der gnädigerweise geöffnet hatte, und Harry und Hermine wankten hinter ihm her in den überfüllten Laden.
»Gott sei Dank!«, sagte Ron zitternd, als die warme, nach Karamell duftende Luft sie umhüllte. »Am besten, wir bleiben den ganzen Nachmittag hier.«
»Harry, mein Junge!«, rief eine dröhnende Stimme hinter ihnen.
»O nein«, murmelte Harry. Die drei drehten sich um und sahen Professor Slughorn, der einen gewaltigen Pelzhut und einen Mantel mit dazu passendem Pelzkragen trug, einen großen Beutel kandierte Ananas in der Hand hielt und mindestens ein Viertel des Ladens einnahm.
»Harry, jetzt haben Sie schon drei meiner kleinen Abendessen verpasst!«, sagte Slughorn und pikte ihn leutselig in die Brust. »So geht das nicht, mein Junge. Sie entkommen mir nicht! Miss Granger liebt diese Abende, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Hermine hilflos, »die sind wirklich –«
»Also, warum kommen Sie nicht vorbei, Harry?«, fragte Slughorn.
»Nun ja, ich hatte Quidditch-Training, Professor«, sagte Harry, der tatsächlich immer ein Training angesetzt hatte, wenn Slughorn ihm eine kleine, mit violettem Band verzierte Einladung geschickt hatte. Diese Strategie führte dazu, dass Ron nicht außen vor blieb, und sie lachten dann meistens gemeinsam mit Ginny bei der Vorstellung, dass Hermine mit McLaggen und Zabini zusammenhocken musste.
»Nun, ich hoffe doch, dass Sie nach so viel fleißiger Arbeit Ihr erstes Spiel gewinnen werden!«, sagte Slughorn. »Aber ein wenig Erholung hat noch niemandem geschadet. Also, wie wär’s mit Montagabend, Sie können doch unmöglich vorhaben, bei diesem Wetter zu trainieren …«
»Ich kann nicht, Professor, ich hab – ähm – an diesem Abend einen Termin bei Professor Dumbledore.«
»Wieder kein Glück!«, rief Slughorn theatralisch. »Ah, nun … Sie können mir nicht ewig ausweichen, Harry!«
Er winkte majestätisch und watschelte aus dem Laden, wobei er so wenig Notiz von Ron nahm, als wäre der eine Schachtel voller getrockneter Kakerlaken.
»Ich fass es nicht, du hast dich schon wieder drumrum gemogelt«, sagte Hermine kopfschüttelnd. » So übel ist es da gar nicht, weißt du … manchmal macht es richtig Spaß …« Doch dann fiel ihr Blick auf Rons Miene. »Oh, seht mal – die haben Zuckerfederkiele de luxe – die sollen stundenlang halten!«
Froh darüber, dass Hermine das Thema gewechselt hatte, zeigte Harry viel mehr Interesse an den neuen, extragroßen Zuckerfederkielen, als er es sonst getan hätte, aber Ron wirkte nach wie vor verstimmt und zuckte nur die Achseln, als Hermine ihn fragte, wo er als Nächstes hinwolle.
»Gehen wir in die Drei Besen«, sagte Harry. »Da ist es sicher warm.«
Sie wickelten sich die Schals wieder über die Gesichter und verließen den Süßigkeitenladen. Nach der zuckrigen Wärme des Honigtopfs schlug ihnen der bitterkalte Wind messerscharf ins Gesicht. Auf der Straße war nicht viel los; niemand blieb stehen, um ein Schwätzchen zu halten, alle beeilten sich, an ihr Ziel zu kommen. Die Ausnahme waren zwei Männer, die nicht weit entfernt von ihnen direkt vor den Drei Besen standen. Der eine war sehr groß und dünn; Harry spähte mit zusammengekniffenen Augen durch seine regennasse Brille und erkannte den Wirt, der im anderen Pub von Hogsmeade, dem Eberkopf, arbeitete. Als Harry, Ron und Hermine näher kamen, zog der Wirt seinen Umhang enger um den Hals, ging davon und ließ den kleineren Mann zurück, der ungeschickt etwas in seinen Armen hielt. Sie waren kaum ein paar Meter von ihm entfernt, als Harry den Mann erkannte.
»Mundungus!«
Der untersetzte, säbelbeinige Mann mit dem langen, widerspenstigen rotbraunen Haar fuhr zusammen und ließ einen uralten Koffer fallen, der aufsprang und scheinbar den gesamten Schaufensterinhalt eines Trödelladens auf dem Boden verteilte.
»Oh, ’allo, ’Arry«, sagte Mundungus Fletcher in einem ganz und gar nicht überzeugenden Versuch, lässig zu wirken. »Also dann, ich will euch nicht
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