Harry Potter und der Stein der Weisen
und nicht weniger als unseren tiefsten, verzweifeltsten Herzenswunsch. Du, der du deine Familie nie kennen gelernt hast, siehst sie hier alle um dich versammelt. Ronald Weasley, der immer im Schatten seiner Brüder gestanden hat, sieht sich ganz alleine, als Bester von allen. Allerdings gibt uns dieser Spiegel weder Wissen noch Wahrheit. Es gab Menschen, die vor dem Spiegel dahingeschmolzen sind, verzückt von dem, was sie sahen, und andere sind wahnsinnig geworden, weil sie nicht wussten, ob ihnen der Spiegel etwas Wirkliches oder auch nur etwas Mögliches zeigte.
Der Spiegel kommt morgen an einen neuen Platz, Harry, und ich bitte dich, nicht mehr nach ihm zu suchen. Du kennst dich jetzt aus, falls du jemals auf ihn stoßen solltest. Es ist nicht gut, wenn wir nur unseren Träumen nachhängen und vergessen zu leben, glaub mir. Und nun, wie wär’s, wenn du diesen beeindruckenden Umhang wieder anziehst und ins Bett verschwindest?«
Harry stand auf.
»Sir, Professor Dumbledore? Darf ich Sie etwas fragen?«
»Nun hast du ja eine Frage schon gestellt«, sagte Dumbledore lächelnd. »Du darfst mich aber noch etwas fragen.«
»Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?«
»Ich? Ich sehe mich dastehen, ein Paar dicke Wollsocken in der Hand haltend.«
Harry starrte ihn an.
»Man kann nie genug Socken haben«, sagte Dumbledore. »Wieder einmal ist ein Weihnachtsfest vergangen, ohne dass ich ein einziges Paar Socken bekommen habe. Die Leute meinen dauernd, sie müssten mir Bücher schenken.«
Erst als Harry wieder im Bett lag, kam ihm der Gedanke, dass Dumbledore vielleicht nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte. Doch zugegeben, dachte er und schubste Krätze von seinem Kopfkissen, es war doch eine recht persönliche Frage.
Nicolas Flamel
Dumbledore hatte Harry davon überzeugt, besser nicht mehr nach dem Spiegel Nerhegeb zu suchen, und die restlichen Tage der Weihnachtsferien blieb der Tarnumhang zusammengefaltet auf dem Boden seines großen Koffers. Harry wünschte sich, er könnte genauso leicht das, was er im Spiegel gesehen hatte, aus seinem Innern räumen, doch das gelang ihm nicht. Allmählich bekam er Alpträume. Immer und immer wieder träumte er davon, wie seine Eltern in einem Blitz grünen Lichts verschwanden, während eine hohe Stimme gackernd lachte.
»Siehst du, Dumbledore hatte Recht, dieser Spiegel könnte dich in den Wahnsinn treiben«, sagte Ron, als Harry ihm von diesen Träumen erzählte.
Hermine, die am letzten Ferientag zurückkam, sah die Dinge ganz anders. Sie schwankte zwischen Entsetzen und Enttäuschung. Entsetzen bei dem Gedanken, dass Harry drei Nächte nacheinander aus dem Bett geschlüpft war und das Schloss durchstreift hatte (»Wenn Filch dich erwischt hätte!«), und Enttäuschung darüber, dass er nicht wenigstens herausgefunden hatte, wer Nicolas Flamel war.
Sie hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben, Flamel jemals in einem Bibliotheksband zu finden, auch wenn Harry sich immer noch sicher war, dass er den Namen irgendwo gelesen hatte. Nach dem Ende der Ferien fingen sie wieder an zu suchen und in den Zehn-Minuten-Pausen die Bücher durchzublättern. Harry hatte sogar noch weniger Zeit als die andern, denn auch das Quidditch-Training hatte wieder begonnen.
Wood forderte die Mannschaft härter denn je. Selbst der Dauerregen, der nach dem Schnee eingesetzt hatte, konnte seine Begeisterung nicht dämpfen. Die Weasleys beschwerten sich, Wood sei vom Quidditch geradezu besessen, doch Harry war auf Woods Seite. Sollten sie ihr nächstes Spiel gegen Hufflepuff gewinnen, würden sie zum ersten Mal in sieben Jahren Slytherin in der Hausmeisterschaft überholen. Abgesehen davon, dass er gewinnen wollte, stellte Harry fest, dass er weniger Alpträume hatte, wenn er nach dem Training erschöpft war.
Eines Tages, während einer besonders nassen und schlammigen Trainingsstunde, hatte Wood der Mannschaft eine schlechte Nachricht mitzuteilen. Gerade war er sehr zornig geworden wegen der Weasleys, die immerzu im Sturzflug aufeinander zurasten und so taten, als stürzten sie von ihren Besen.
»Hört jetzt endlich auf mit dem Unfug!«, rief er. »Genau wegen so was verlieren wir noch das Spiel! Diesmal macht Snape den Schiedsrichter, und dem wird jede Ausrede recht sein, um Gryffindor Punkte abzuziehen.«
George Weasley fiel bei diesen Worten wirklich vom Besen.
» Snape ist Schiedsrichter?«, prustete er durch einen Mund voll Schlamm. »Wann hat der denn jemals ein
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