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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Fenster. Faith war zehn Jahre alt gewesen, als sie erkannte, dass der Anbau für etwas so Einfaches wie einen Werkzeugschuppen viel zu stabil war. Mit dem Zartgefühl, das nur ein älterer Bruder aufbringen kann, hatte Zeke ihr den wahren Zweck des Schuppens verraten: » Dort bewahrt Mom ihre Waffe auf, du blöde Kuh.«
    Faith lief an dem Auto vorbei und wollte die Schuppentür öffnen– verschlossen. Sie schaute durchs Fenster. Die Metalldrähte in dem Sicherheitsglas bildeten vor ihren Augen ein Spinnennetz. Sie sah den Arbeitstisch und darunter die ordentlich aufgestapelten Säcke mit Erde. Werkzeuge hingen an ihren Haken. Die Geräte zur Rasenbearbeitung standen sauber aufgereiht nebeneinander. Ein schwarzer Metallsafe mit Zahlenschloss war unter dem Tisch mit Bolzen am Boden befestigt. Die Tür stand offen. Evelyns Revolver, ein Smith and Wesson mit dem Kirschholzgriff, fehlte, ebenso die Schachtel mit Munition, die normalerweise danebenstand.
    Wieder war das gurgelnde Geräusch zu hören, diesmal lauter. Einige Decken auf dem Boden pulsierten wie ein Herzschlag. Evelyn benutzte sie, um bei unerwarteten Frostperioden die Pflanzen abzudecken. Normalerweise lagen sie zusammengefaltet auf dem obersten Regalbrett, jetzt aber waren sie in die Ecke hinter dem Safe gestopft. Faith sah ein Stückchen Pink aus den grauen Decken herausragen, dann die Rundung einer Plastikkopfstütze, die nur zu Emmas Autositz gehören konnte. Die Decken bewegten sich wieder. Ein winziger Fuß wurde herausgestreckt; eine weiche, gelbe Baumwollsocke mit weißem Spitzenbesatz am Knöchel. Dann stieß eine kleine Faust durch die Decken. Und plötzlich sah sie Emmas Gesicht.
    Emma lächelte Faith an, ihre Oberlippe formte ein weiches Dreieck. Wieder gurgelte sie, doch diesmal vor Freude.
    » O Gott.« Faith zog vergeblich an der verschlossenen Tür. Ihre Hand zitterte, als sie die Oberkante des Türstocks abtastete und nach dem Schlüssel suchte. Staub rieselte herunter. Die scharfe Spitze eines Splitters stach ihr in den Finger. Faith schaute wieder durchs Fenster. Emma klatschte in die Hände, der Anblick ihrer Mutter tröstete sie, obwohl Faith einer ausgewachsenen Panik so nahe war wie noch nie in ihrem Leben. In der Hütte war es heiß. Emma könnte sich überhitzen. Sie könnte dehydrieren. Sie könnte sterben.
    Voller Angst kniete Faith sich hin, weil sie dachte, dass der Schlüssel vielleicht heruntergefallen, möglicherweise unter die Tür gerutscht war. Faith sah, dass der Boden von Emmas Sitz verbogen war, weil er so straff zwischen Wand und Safe klemmte. Versteckt unter Decken. Blockiert vom Safe.
    Geschützt vom Safe.
    Faith hielt inne. Ihre Lunge verkrampfte sich. Sie biss die Zähne zusammen. Langsam setzte sie sich auf. Auf dem Betonboden vor ihr entdeckte sie Blut. Ihr Blick folgte der Spur bis zur Küchentür. Dem blutigen Handabdruck.
    Emma war im Schuppen eingeschlossen. Evelyns Waffe war verschwunden. Eine Blutspur führte zum Haus.
    Faith stand auf und schaute zur unverschlossenen Küchentür. Außer ihrem schweren Atem war nichts zu hören.
    Wer hatte die Musik ausgeschaltet?
    Faith lief zu ihrem Auto zurück. Sie zog ihre Glock unter dem Fahrersitz hervor, kontrollierte das Magazin und klemmte sich das Halfter an den Gürtel. Ihr Handy lag noch auf dem Vordersitz. Faith schnappte es sich, bevor sie den Kofferraum öffnete. Sie war Detective des Morddezernats von Atlanta gewesen, bevor sie Special Agent beim Staat wurde. Sie wählte die geheime Notfallnummer aus dem Gedächtnis. Sie ließ der Telefonistin keine Zeit zum Sprechen und ratterte die Nummer ihrer alten Marke, ihre Einheit und die Adresse ihrer Mutter herunter.
    Dann hielt sie kurz inne, bevor sie sagte: » Code dreißig.« Die Wörter blieben ihr beinahe im Hals stecken. Den Code hatte sie noch nie in ihrem Leben benutzt. Er bedeutete, dass ein Beamter Notfallhilfe brauchte. Er bedeutete, dass ein Kollege in Gefahr, möglicherweise schon tot war. » Mein Kind ist im Außenschuppen eingeschlossen. Auf dem Beton ist eine Blutspur und ein blutiger Handabdruck auf der Küchentür. Ich glaube, meine Mutter ist im Haus. Ich habe Musik gehört, aber sie wurde ausgeschaltet. Sie ist eine pensionierte Kollegin. Ich glaube, sie ist…« Ihr wurde die Kehle eng, als würde eine Faust sie abdrücken. » Hilfe. Bitte. Schicken Sie Hilfe.«
    » Bestätige Code dreißig«, erwiderte die Telefonistin knapp und scharf. » Bleiben Sie draußen, und warten Sie auf

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