Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
Vom Netzwerk:
diese einfachen Fragen heute so verwirrt? Es gehen auch in einer gesund funktionierenden Gesellschaft eine Menge von Gesetzgebern und Moralphilosophen unvorhergesehene Dinge vor. Gerade sie werden ihrer bunten Abenteuerlichkeit wegen den Künstler besonders reizen. Sie zu verbieten ist heuchlerisch, philisterhaft und außerdem zwecklos. Darum sollen sie noch lange nicht öffentlich ausgeschrien werden. Auch von dem Künstler ist daher zu verlangen, daß die Form, in der er solche Stoffe behandelt, und von dem Verleger, daß die Art, wie er sie auf den Markt bringt, die Distanzen zu der herrschenden Sittlichkeit wahrt. Man erzählt sich nicht am Familientisch, daß man gestern mit einer interessanten Dame soupiert hat. So wird man verhindern müssen, daß Bücher, die heikle Themen behandeln, in falsche Hände geraten. Ganz verkehrt, weil kunstmordend, ist das englische System, das dem Künstler einfach die Darstellung solcher Dinge verbietet und dem jungen Mädchen alles zu lesen und zu sehen erlaubt, statt dem Künstler die Freiheit der Darstellung zu lassen, aber jungen Mädchen bisweilen den Zugang zu verbieten. Die französische Gesellschaft war darum so frei und geistreich, weil junge Mädchen streng ausgeschlossen wurden. Die englische ist deshalb so langweilig und monoton, weil die spinsters bei allem dabei sein müssen.
    Der Autor, der sich auf gewagte Pfade begibt, muß sich eines besonders gepflegten Stils befleißigen, und damit hat er die Pflichten der Sittlichkeit und des Taktes erfüllt. Alles weitere ist Sorge der Verleger, Buchhändler, Eltern und Vormünder.
    Also, Ihr lachenden Kurtisanen, Euch lege ich dieses Büchlein meiner Jugend offen ans Herz, und Ihr, selbstsichere und kluge Damen, Euch stecke ich es vielleicht heimlich unter das Kopfkissen!
    Frankfurt A. M., Januar 1913
    O. A. H. S.

Der Haschischklub
    An einem Abend des Winters 189* befand ich mich in einem wenig besuchten Pariser Speisehaus. Während ich, ohne meiner Umgebung zu achten, ausschließlich mit der Mahlzeit beschäftigt war, hörte ich neben mir eine halblaute Stimme, die sich an den Kellner wendete. Die trotz des fremdländischen Akzents gewandte Ausdrucksweise, welche Vertrautheit mit den Boulevards verriet, fesselte meine Aufmerksamkeit, und ich erkannte in dem schlanken, diskret blonden, schon etwas alternden Dandy den Grafen Vittorio Alta-Carrara. Ich beobachtete, während er, ohne mich zu sehen, sein Menü zusammenstellte, daß sich die vertikale Tendenz seiner Linien seit unserem letzten Zusammentreffen noch verstärkt hatte und eine unübertreffliche Kunst des Anzugs dieser Veranlagung durchaus gerecht wurde. Die schmalen langen Beine ließ er in die schlanksten Stiefel auslaufen, während die fast entfleischten Finger in spitzbogigen Nägeln endigten. Seine dünnen Lippen, die keine Sinnlichkeit merken ließen, hatten neben dem ennui eine gewisse Bitterkeit angenommen, die seine kühle Persönlichkeit fast menschlicher und etwas nahbarer erscheinen ließ.
    »Ah, Sie sind in Paris«, sagte der Graf und zeigte sich nur aus Liebenswürdigkeit erstaunt, obgleich zwischen unserem letzten Zusammentreffen und diesem Abend in Paris mehrere Jahre und Länder lagen.
    Wir hatten uns einmal in einem römischen Salon kennengelernt, wo wir eines Abends nach dem Brauch des Landes, jeder mit einer Teetasse in der Hand, zwischen seltenen Statuen eine Stunde lang nebeneinander standen. Später erfuhr ich, daß er einen kalabrischen Vater hatte, der ihn in einer geheimnisvollen Schwärmerei für die großen, blondhaarigen Frauen des Nordens mit einer ziemlich untergeordneten Norwegerin gezeugt hatte, die immerhin blond und schlank genug war, um dem phantastischen Südländer den Duft der Freiaäpfel wenigstens von weitem wittern zu lassen.
    Ein anderes Mal sah ich den Grafen in einem abgelegenen niederländischen Museum, wo er nach den Fragmenten eines unbekannten Kupferstechers, Allaert van Assen, suchte. Dieser Meister – so versicherte er – hatte in Höllenszenen sehr sinnreiche Foltern dargestellt, die beweisen sollten, daß der Schmerz eine gesteigerte Lust sei, daß nur törichte Menschen nicht nach den Genüssen einer ewigen Verdammnis lechzen könnten. Die Inquisition hat diesen Satanisten, der sich nach Spanien verirrte, mit Schneeumschlägen auf Herz und Hirn, wohlweislich und langsam verbrannt und seine Werke vernichtet oder entstellt. Zum letzten Male hatte ich den Grafen im Handschriftenkabinet einer kleinen deutschen

Weitere Kostenlose Bücher