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Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe

Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe

Titel: Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Hauff
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weniger als einer Viertelstunde war er am Fuße des Hügels angelangt. Er stieg ab von seinem Pferd und band es an eine Staude, deren mehrere an dem Hügel wuchsen; hierauf zog er den Dolch des Prinzen Omar hervor und stieg den Hügel hinan. Am Fuß der Säule standen sechs Männer um einen Greisen von hohem, königlichem Ansehen; ein prachtvoller Kaftan von Goldstoff, mit einem weißen Kaschmirshawl umgürtet, der weiße, mit blitzenden Edelsteinen geschmückte Turban bezeichneten ihn als einen Mann von Reichtum und Würde.

Auf ihn ging Labakan zu, neigte sich tief vor ihm und sprach, indem er ihm den Dolch darreichte: “Hier bin ich, den Ihr suchet”.

“Gelobt sei der Prophet, der dich erhielt!” antwortete der Greis mit Freudenthränen. “Umarme deinen alten Vater, mein geliebter Sohn Omar!” Der gute Schneider war sehr gerührt durch diese feierlichen Worte und sank mit einem Gemisch von Freude und Scham in die Arme des alten Fürsten.

Aber nur einen Augenblick sollte er ungetrübt die Wonne seines neuen Standes genießen; als er sich aus den Armen des fürstlichen Greisen aufrichtete, sah er einen Reiter über die Ebene her auf den Hügel zueilen. Der Reiter und sein Roß gewährten einen sonderbaren Anblick; das Roß schien aus Eigensinn oder Müdigkeit nicht vorwärts zu wollen; in einem stolpernden Gang, der weder Schritt noch Trapp war, zog es daher; der Reiter aber trieb es mit Händen und Füßen zu schnellerem Laufe an. Nur zu bald erkannte Labakan sein Roß Marva und den echten Prinzen Omar; aber der böse Geist der Lüge war einmal in ihn gefahren, und er beschloß, wie es auch kommen möge, mit eiserner Stirne seine angemaßten Rechte zu behaupten.

Schon aus der Ferne hatte man den Reiter winken gesehen; jetzt war er trotz dem schlechten Trapp des Rosses Marva am Fuße des Hügels angekommen, warf sich vom Pferd und stürzte den Hügel hinan: “Haltet ein!” rief er. “Wer ihr auch sein möget, haltet ein und laßt euch nicht von dem schändlichsten Betrüger täuschen! Ich heiße Omar, und kein Sterblicher wage es, meinen Namen zu mißbrauchen!”

Auf den Gesichtern der Umstehenden malte sich tiefes Erstaunen über diese Wendung der Dinge; besonders schien der Greis sehr betroffen, indem er bald den einen, bald den andern fragend ansah. Labakan aber sprach mit mühsam errungener Ruhe: “Gnädigster Herr und Vater, laßt Euch nicht irre machen durch diesen Menschen da! Es ist, soviel ich weiß, ein wahnsinniger Schneidergeselle aus Alessandria, Labakan geheißen, der mehr unser Mitleid als unsern Zorn verdient.”

Bis zur Raserei aber brachten diese Worte den Prinzen. Schäumend vor Wut wollte er auf Labakan eindringen; aber die Umstehenden warfen sich dazwischen und hielten ihn fest, und der Fürst sprach: “Wahrhaftig, mein lieber Sohn, der arme Mensch ist verrückt! Man binde ihn und setze ihn auf eines unserer Dromedaren! Vielleicht, daß wir dem Unglücklichen Hülfe schaffen können.”

Die Wut des Prinzen hatte sich gelegt; weinend rief er dem Fürsten zu: “Mein Herz sagt mir, daß Ihr mein Vater seid; bei dem Andenken meiner Mutter beschwöre ich Euch: Hört mich an!”

“Ei, Gott bewahre uns!” antwortete dieser. “Er fängt schon wieder an, irre zu reden; wie doch der Mensch auf solche Gedanken kommen kann!” Damit ergriff er Labakans Arm und ließ sich von ihm den Hügel hinuntergeleiten. Sie setzten sich beide auf schöne, mit reichen Decken behängte Pferde und ritten an der Spitze des Zuges über die Ebene hin. Dem unglücklichen Prinzen aber fesselte man die Hände und band ihn auf ein Dromedar fest, und zwei Reiter waren ihm immer zur Seite, die ein wachsames Auge auf jede seiner Bewegungen hatten.

Der fürstliche Greis war Saaud, der Sultan der Wechabiten. Er hatte lange ohne Kinder gelebt, endlich wurde ihm ein Prinz geboren, nach dem er sich so lange gesehnt hatte. Aber die Sterndeuter, welche er um die Vorbedeutungen des Knabens befragte, thaten den Ausspruch: “Daß er bis ins zweiundzwanzigste Jahr in Gefahr stehe, von einem Feinde verdrängt zu werden”. Deswegen, um recht sicher zu gehen, hatte der Sultan den Prinzen seinem alten erprobten Freunde Elfi-Bei zum Erziehen gegeben und zweiundzwanzig schmerzliche Jahre auf seinen Anblick geharrt.

Dieses hatte der Sultan unterwegs seinem vermeintlichen Sohne erzählt und sich ihm außerordentlich zufrieden mit seiner Gestalt und seinem würdevollen Benehmen gezeigt.

Als sie in das Land des Sultans kamen,

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