Havanna für zwei
für zehn Tage … Hör zu, Sophie, hast du Lust mitzukommen? … Ich wollte die Tickets verfallen lassen, aber Louise hat mich überredet, doch hinzufliegen … Komm schon, Sophie, du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der so kurzfristig wegkann … Komm nach der Arbeit hier vorbei, dann besprechen wir alles … Tschau.«
»Ich nehme an, das ist ein Ja von unserer kleinen Schwester?«, fragte Louise, der es nicht gelang, die Enttäuschung in ihrer Stimme zu verbergen.
»Ich musste ihr gut zureden, aber ich glaube, sie kommt mit. Macht es dir auch wirklich nichts aus, Finn zu nehmen?«
Louise lächelte. Egal, wie neidisch sie auch auf Sophie war, sie wollte wirklich, dass Emma die Reise genoss. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, verdiente sie es, und sie selbst würde ihre Bedenken für sich behalten. Es war schon eine merkwürdige Fügung, dass Paul den Urlaub jetzt nicht mehr antreten konnte, dafür aber seine Frau und seine Geliebte, und zwar zusammen.
»Sorry, dass wir nicht über Jack reden konnten. Vielleicht ein andermal«, sagte Emma. »Aber jetzt muss ich noch ein paar Dinge erledigen, bevor ich Finn von der Schule abhole.«
»Schon gut, kein Problem.« Louise fügte sich, obwohl sie schwer enttäuscht war, dass sie nicht darüber hatte sprechen können, was sie mit ihren neuen Informationen über Jack anfangen sollte.
Doch der Gedanke an Sophie und Emmas Ehemann brachte sie unsanft in die Realität zurück. Louise gab Emma einen Abschiedskuss und stieg in ihren Wagen. Ihr Magen revoltierte, als sie sich an den schrecklichen Moment erinnerte, als die Affäre ihrer jüngsten Schwester mit ihrem Schwager ans Tageslicht kam.
Louise hatte sie nur wenige Wochen vor Pauls Tod ertappt. Sie war bei Emma vorbeigefahren, um ein Kleid zu holen, das sie Emma geliehen hatte und an jenem Abend selbst tragen wollte. Ihre Schwester war nicht zu Hause, weil sie sich mit einer Freundin ein lange überfälliges Wellness-Wochenende gönnte. Louise hatte mit dem Schlüssel aufgeschlossen, den Emma ihr einmal gegeben hatte. Eigentlich nur für Notfälle, aber Louise glaubte, ein leeres Haus zu betreten, da Pauls Wagen nicht draußen stand. Nichts hätte sie auf den Anblick vorbereiten können, der sich ihr gleich bieten sollte.
Zuerst dachte sie, die Geräusche im ersten Stock stammten von Einbrechern. Dann fielen ihr die Schlüssel auf dem Flurtisch auf und Pauls Jacke, die über dem Treppengeländer hing. Dann wurde ihr klar, dass jemand stöhnte, und in dem Glauben, ihr Schwager hätte Schmerzen, rannte sie die Treppe hinauf. Die Schlafzimmertür stand offen, und sie sah, wie sich Pauls Körper unter dem Bettzeug hob und senkte. Sie war verlegen und beschämt, als ihr dämmerte, dass er nicht allein im Bett lag, und ging davon aus, dass Emma früher nach Hause gekommen war. Doch dann verriet ihr die rotblonde Lockenmähne auf dem Kissen, wer die Frau war.
Plötzlich hielt das Paar inne, als Sophie spürte, dass jemand anwesend war. Sie schrie auf und zog sich das Laken über ihren nackten Oberkörper.
Paul zuckte zusammen und drehte sich um, um nachzusehen, was seine Geliebte erschreckt hatte.
»Louise!«, rief Paul entsetzt.
Louise war so schockiert, dass sie auf dem Absatz kehrtmachte und, so schnell sie konnte, die Treppe hinabrannte. Sie war schon zur Haustür hinaus, bevor Paul oder Sophie aus dem Schlafzimmer stolperte. Es erschütterte sie immer noch bis ins Mark, wenn sie an diesen Moment zurückdachte.
Sophie klickte auf ihrem Computerbildschirm auf Speichern und rollte mit ihrem Stuhl vom Schreibtisch weg. Sie hatte heute keine Lust mehr. Sie würde Rod sagen müssen, dass sie sich frei nehmen wollte. Zum Glück waren sowohl das Frühlings- als auch das Sommersortiment schon komplett; das würde es ihm schwer machen, ihr den Urlaub zu verwehren. Sie hatte genauso viele Bestellungen an Land gezogen wie im letzten Jahr, und in Zeiten der Rezession war das eine Riesenleistung. Sie musste früher Mittag machen, um den Kopf freizubekommen.
Sie fragte sich, wann ihre älteste Schwester herausfinden würde, was wirklich hinter dem Kuba-Urlaub steckte. In der Planungsphase hatte Paul sie wegen jeder Kleinigkeit gefragt, und jetzt, wo sie doch noch in den Genuss des Urlaubs kam, verspürte sie eine gewisse Genugtuung – eine Art Entschädigung dafür, ihn und das Leben mit ihm verloren zu haben, auf das sie sich so gefreut hatte.
Ihre älteste Schwester hatte es gut. Sie konnte offen um ihn trauern,
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