Hawkings Kosmos einfach erklaert
oder nicht, aber er kann nicht eingreifen und die Gesetze brechen, sonst wären es keine Gesetze. Gott bliebe allenfalls die Freiheit, den Anfangszustand des Universums auszuwählen. Aber selbst hier könnten Gesetze herrschen. Dann hätte Gott überhaupt keine Freiheit.â
Dies sind freilich etwas missverständliche metaphorische Formulierungen, denn die Naturgesetze und Theorien existieren nicht an und für sich und âbewirkenâ nichts â doch das meint Hawking auch nicht (im Gegensatz zu manchen Philosophen). Vielmehr sind die Naturgesetze wissenschaftliche Beschreibungen und Modelle von gemessenen RegelmäÃigkeiten der Natur.
Doch die Fragen hören damit nicht auf. Denn das âNichtsâ, von dem Hawking spricht, ist nicht das radikale Nichts der Metaphysiker und Theologen (und selbst letztere nehmen doch âetwasâ an: Gott), sondern das Quantenvakuum, dessen Existenz und âSchaffenskraftâ nicht selbstverständlich ist. Und woher kommen die Naturgesetze? Selbst eine umfassende Weltformel, falls sie einmal gefunden würde, könnte keine letztgültige, unhinterfragbare Antwort liefern.
Hawking kehrt diese Schwierigkeit nicht unter den Teppich seiner wissenschaftlichen Zuversicht, sondern hat sie in Eine kurze Geschichte der Zeit selbst betont: âAuch wenn nur eine einheitliche Theorie möglich ist, so wäre sie doch nur ein System von Regeln und Gleichungen. Wer bläst den Gleichungen den Odem ein und erschafft ihnen ein Universum, das sie beschreiben können? Die übliche Methode, nach der die Wissenschaft sich ein mathematisches Modell konstruiert, kann die Fragen, warum es ein Universum geben muss, welches das Modell beschreibt, nicht beantworten. Warum muss sich das Universum all dem Ungemach der Existenz unterziehen?â
⺠Der Tod der Philosophie
âDie Hauptbotschaft des Buchs ist, dass die Wissenschaft sowohl den Ursprung des Universums erklären kann als auch, warum seine Naturgesetze so sind, wie sie sindâ, erläutert Leonard Mlodinow das Ziel von Der GroÃe Entwurf . Das klingt nicht gerade bescheiden â und es greift in das Refugium ein, das manche Theologen und Philosophen als ihr ureigenes betrachten. Entsprechend säuerlich reagieren diese, wenn sie lesen, was Hawking und Mlodinow gleich auf der ersten Seite ihres Buchs schreiben: â⦠die Philosophie ist tot. Sie hat mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik nicht Schritt gehalten.â
Das ist keine Feststellung, sondern eine Provokation. Zwar verstehen viele Philosophen tatsächlich wenig von moderner Physik, doch manche haben sehr wohl mit den Wissenschaften Schritt gehalten und sie scharfsinnig reflektiert. Dabei wurden Hawkings Aussagen zuweilen kritisiert, was ihn ärgerte. Teilweise war das unfair, denn populärwissenschaftliche Darstellungen sind nun mal keine subtilen fachphilosophischen Abhandlungen, in denen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden kann und jede Formulierung in viele Richtungen hin abgesichert werden muss.
Hinzu kommt, dass die Philosophie viel mehr Themen hat als nur die Diskussion naturwissenschaftlicher Probleme und Erkenntnisse sowie deren Voraussetzungen und Konsequenzen. Daher ist Philosophie unsterblich, so lange es Wesen gibt, die über sich selbst und die Welt nachdenken.
EXKURS
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⺠Wie wird man Hawkings Co-Autor?
Leonard Mlodinow: Er schrieb mit Stephen Hawking zwei Bestseller.
Seine letzten allgemeinverständlichen Werke hat Stephen Hawking nicht allein verfasst. Drei Kinderbücher â Der geheime Schlüssel zum Universum (2007), Die unglaubliche Reise ins Universum (2009) und Zurück zum Urknall (2011) â schrieb er zusammen mit seiner Tochter Lucy, die sich zuvor schon als Journalistin und Romanautorin einen Namen gemacht hatte. Und die jüngsten beiden populärwissenschaftlichen Sachbücher, Die kürzeste Geschichte der Zeit (2005) und Der GroÃe Entwurf (2010), veröffentlichte Hawking zusammen mit dem Physiker Leonard Mlodinow.
Mlodinow wurde 1954 in Chicago geboren. Seine Eltern sind polnische Holocaust-Ãberlebende. Sie hatten sich nach der Befreiung aus Konzentrations- und Arbeitslagern 1948 in Brooklyn kennengelernt. Mlodinow hat nach der Schule in einem israelischen Kibbutz gearbeitet, an der Brandeis University in Waltham, Massachusetts studiert, 1981 an der University of California in Berkeley
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