Hawkings neues Universum
leistungsfähigere Pumpen erfunden, darunter die Turbomolekular-, Kryo- und Sorptionspumpen. Bei Letzteren werden verbliebene Gasteilchen an die Gefäßwände gebunden. Mit ziemlichem Aufwand lassen sich heute bis zu 10 –13 Millibar erreichen. Das entspricht einer Dichte von wenigen Hundert Molekülen pro Kubikzentimeter.
Das Experiment von Torricelli: Der italienische Physiker Evangelista Torricelli wies im 17. Jahrhundert nach, dass der luftleere Raum existieren muss und hergestellt werden kann. Er füllte eine lange Glasröhre mit Quecksilber, verschloss sie mit dem Finger, drehte sie um und tauchte sie in eine Schale voll Quecksilber. Daraufhin sank die Quecksilbersäule – zwischen ihr und dem Glas hatte sich ein luftleerer Hohlraum gebildet. Er ist unabhängig vom Volumen, von der Form, Länge und Neigung des Rohrs und muss ein Vakuum sein, weil Luft weder durch Glas noch durch Quecksilber dringen kann. Die Quecksilbersäule wird vom äußeren Luftdruck getragen, der auf dem Quecksilberspiegel in der Schale lastet. Die Steighöhe der Säule – etwa 76 Zentimeter auf Meereshöhe – ist eine einfache Folge des Luftdrucks auf der Erdoberfläche, der Temperatur und des spezifischen Gewichts von Quecksilber. Das Prinzip findet im Quecksilber-Barometer seine direkte Anwendung; nach Torricelli wurde dann auch eine Einheit des Luftdrucks benannt (1 Torr = 1 Millimeter Quecksilber, was etwa 133,32 Pascal oder 0,001333 Bar entspricht).
An Weltraumbedingungen kommen aber auch die raffiniertesten Geräte noch nicht heran. Zwar ist das All nicht frei von Teilchen – durchschnittlich steckt in jedem Kubikmeter etwa ein Wasserstoff-Atom, in interstellaren Gaswolken können es 10 oder 100 sein –, doch kommt es einem „chemischen Vakuum“ noch am nächsten: einem Raum frei von Atomen.
Allerdings sind selbst Raumbereiche ganz ohne Atomkerne und Elektronen nicht leer. Denn es gibt noch andere Arten von Materie – „Geisterteilchen“ wie die Neutrinos zum Beispiel, die kaum mit der uns vertrauten Materie wechselwirken. „Für sie ist die Erde einfach ein Ball, leicht zu durchdringen auf dem Weg durchs All“, reimte der amerikanische Schriftsteller John Updike. Tatsächlich schießen rund 66 Milliarden Neutrinos aus dem Sonneninneren in jeder Sekunde durch jeden Quadratzentimeter der Erdoberfläche – einschließlich des menschlichen Körpers –, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sie wären selbst durch Lichtjahre dicke Bleimauern nicht aufzuhalten. Zahlreiche astronomische Messungen sprechen dafür, dass es noch andere Arten von Dunkler Materie gibt – Elementarteilchen, die sich wie die Neutrinos nicht durch elektromagnetische Strahlung bemerkbar machen.
Sieht man auch von der Dunklen Materie ab, die viele Physiker in aller Welt zurzeit mit raffinierten Messgeräten direkt nachweisen wollen, ist der Weltraum dennoch kein totaler Leerraum. Denn er wird von elektromagnetischen Feldern erfüllt sowie von der Wärmestrahlung des Kosmischen Hintergrunds. Aber elektromagnetische Felder lassen sich abschirmen. Und tiefere Temperaturen sind möglich: So haben Astronomen einen Ort entdeckt, der zwei Grad kälter ist als die Kosmische Hintergrundstrahlung: den 5000 Lichtjahre entfernten Bumerang-Nebel im Sternbild Zentaur. Ein extrem rascher Gasverlust seines Zentralsterns – die Geschwindigkeiten der Gas-Teilchen betragen bis zu 600.000 Kilometer pro Stunde – sorgt für den Kühleffekt. Doch die kälteste Stelle des bekannten Universums, nur 10 –10 Grad über dem absoluten Nullpunkt, befand sich vor ein paar Jahren im Low Temperature Lab der Technischen Universität Helsinki: Dort wurden Atomkerne mit Magnetfeldern fast zum Stillstand gebracht (die Temperatur ist auch ein Maß für die Teilchenbewegung).
Ein völliges Vakuum herrscht freilich weder im Bumerang-Nebel noch in Helsinki. Selbst in den Atomen nicht, die doch im Wesentlichen „leer“ sind: Sie bestehen aus dem positiv geladenen Atomkern und der negativen Elektronenhülle. Die Atomkerne, rund 10 –15 Meter im Durchmesser, sind typischerweise hunderttausendmal kleiner als ihre Elektronenhülle. Wäre ein Atom so groß wie ein Fußballfeld, gliche der Atomkern einem Schweißtröpfchen im Mittelpunkt. Der Volumenanteil des Kerns zum Gesamtatom beträgt sogar nur 1/10 15 . Auch der Kern selbst ist größtenteils leerer Raum. Er besteht aus Protonen und – bei Elementen schwerer als Wasserstoff – Neutronen. Diese Kernbausteine werden von je drei Quarks
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