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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Besteck auf den Teller und schob ihn zur Seite.
    »Ich habe dann Sörens Anrufbeantworter abgehört. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich mit so einem Ding nicht auskennt. Aber ich habe die Bedienungsanleitung gefunden, und dann ging es irgendwie. Der hat die ganze Zeit auf seinem Schreibtisch gestanden und geblinkt. Seit Sören tot ist. Acht Monate lang. Ich konnte einfach nichts von seinen Sachen anfassen, verstehen Sie das? Ich habe sein Zimmer gelassen, wie es war. Nur alle zwei Wochen gehe ich rein und lüfte durch.«
    Auf einmal tat sie mir Leid. Wenn es etwas gab, worin ich Bescheid wusste, dann waren es die Gefühle und Stimmungen, die der Verlust eines geliebten Menschen in einem auslöst. Noch heute, eineinhalb Jahre nach ihrem Tod, rebellierte mein Magen beim Gedanken an die schlimme Zeit, nachdem Vera so vollkommen überraschend gestorben war. Allein aus diesem Grund war ich jetzt hier, in Heidelberg. Weil ich das Haus nicht mehr hatte ertragen können, in dem wir so lange zusammen gelebt, geliebt und gestritten hatten.
    »Und einer der Anrufe war von einem Schlosshotel in Heinsheim. Das ist in der Nähe von Bad Wimpfen. Sie haben eine Buchung bestätigt für die Nacht, in der Sören verunglückt ist. Und dort wollte ich heute hinfahren, zu diesem Hotel.« Lustlos piekste sie in ihrem Essen herum. »Wissen Sie, was ich nämlich glaube?«, sagte sie nach einer Weile tonlos. »Ich glaube, er war bei einer anderen Frau.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«, protestierte ich halbherzig. Natürlich war auch mein erster Verdacht in diese Richtung gegangen. »Vielleicht hat ihm seine Firma überraschend einen anderen Auftrag gegeben? Oder er hat sich einfach nur vertan mit Saarbrücken?« Der letzte Satz war wirklich zu blöd gewesen. »Vielleicht haben Sie ihn falsch verstanden?« Dieser war wohl noch blöder.
    Zum Glück hörte sie gar nicht zu. »Er war die ganzen Wochen schon so komisch.«
    »Komisch?«
    »Ja.« Sie steckte das kleinste Fleischfitzelchen in den Mund, das sie finden konnte. »Ganz aufgedreht. So … gut gelaunt auf einmal. So ist er sonst nie gewesen. Obwohl er doch endlich Arbeit gefunden hatte. Es war damals eine schwere Zeit für ihn. Für uns.«
    »Warum haben Sie dieses Hotel nicht einfach angerufen und gefragt, ob Ihr Mann dort ein Zimmer hatte?«
    »Das habe ich doch«, erwiderte sie. »Aber sie sagen einem nichts am Telefon. Das dürften sie nicht, heißt es. Wegen Datenschutz.«
    »Und deshalb wollten Sie heute hinfahren und fragen.« Ich nahm die Gabel wieder in die Hand. Ich war doch noch hungrig »Mindestens fünf Mal habe ich mich verfahren in diesem verflixten Heidelberg!«, schimpfte sie mit plötzlicher Energie. »Ich weiß gar nicht, wie oft wir über den Neckar gekommen sind. Überall diese Einbahnstraßen, und dann hat Björn auch noch Hunger gekriegt, und …« Jetzt liefen wieder Tränen über ihre ungeschminkten Wangen. »Verstehen Sie, ich … ich könnte das nicht aushalten, wenn ich wüsste, dass er …«
    »Und Sie können es ebenso wenig ertragen, es nicht zu wissen«, ergänzte ich leise.
    Björn warf den Löffel in weitem Bogen durchs Lokal und quiekte begeistert, als es schepperte. Zum Glück ging nichts von der überladenen Dekoration zu Bruch, denn vermutlich hätte ich für den Schaden aufkommen dürfen.
    »Ein hübsches Kleid haben Sie an«, sagte ich, um sie ein wenig aufzumuntern. Sie lachte wie jemand, der Komplimente nicht gewohnt ist.
    »Mein Hochzeitskleid.« Verschämt senkte sie den Blick. »Ich dachte, ein Schlosshotel, da kann man vielleicht nicht so in Jeans und Pulli …« Sinnlos schob sie das Essen auf ihrem Teller herum. »Ich habe nicht viel Geld, wissen Sie. Sören hat früher eine Firma gehabt. Aber sie ist Pleite gegangen. Danach ist er eine ganze Zeit arbeitslos gewesen, und dann, kurz nach unserer Hochzeit, hat er zum Glück diese Stelle gefunden, bei der Analytech. Da hat er aber nur ein halbes Jahr gearbeitet. Und gerade als wir dachten, jetzt wird es besser, jetzt geht es ein bisschen aufwärts, da ist er gestorben.«
    Mein Teller war leer. Ich schlürfte den zweiten Ouzo und spülte mit einem Schluck Athos nach.
    »Und jetzt sitze ich da mit dem Kind«, murmelte sie. »Ich dachte, ich kriege wenigstens ein bisschen Rente. Aber dann hat sich herausgestellt, dass Sören gar keine Rentenversicherung gehabt hat, weil er doch selbstständig war. Abends arbeite ich vier Stunden bei Lidl an der Kasse.« Sie schloss die Augen. Ihre

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