Heidelberger Lügen
eine Kleinigkeit zu tun. Am Ende gelang es mir, ihn von meinem Standpunkt zu überzeugen. Er gab mir im Prinzip Recht, erklärte aber in ernstem Ton, im Fall des Falles wisse er lieber von nichts. Ich handelte auf eigenes Risiko.
So fuhr ich ein letztes Mal nach Viernheim, um Vanessa Kriegel aufzusuchen.
»Sie dürfen es ruhig nehmen.«
Sören Kriegels Witwe riss die Augen auf und drückte ihr Söhnchen an sich. Als ich ihr auffordernd den Aktenkoffer hinhielt, schüttelte sie den Kopf.
»Das ist doch kriminelles Geld! Nein, ich will das nicht!«
Björn strahlte mich an und krähte begeistert. Ich lächelte ihm zu, da warf er sein Plastikauto nach mir.
»Es ist nicht ganz einfach, da haben Sie Recht. Aber man kann es auch so sehen: Den ursprünglichen Besitzer werden wir voraussichtlich nie ermitteln. Und ich glaube kaum, dass er jemals Ansprüche auf das Geld anmelden wird. Die Überbringerin ist verschwunden und will es offenbar ebenfalls nicht haben. Das Verkaufen von Hochtechnologie nach China ist rechtlich sicher nicht ganz in Ordnung, aber es wird keine Anklage erhoben, und damit ist das Geschäft nach unserer Auffassung juristisch nicht anzufechten. Ihr Mann war der letzte rechtmäßige Besitzer dieses Koffers, Sie sind seine Erbin. Und ich denke, Sie können es vielleicht brauchen.«
Als sie noch immer keine Anstalten machte, das Geld an sich zu nehmen, stellte ich den Koffer zu ihren Füßen ab, legte die Tüte Amarettini darauf, die ich für Björn gekauft hatte, strich dem fröhlich zappelnden Knirps über die klebrige Wange und ging.
Am Abend lud ich meine Töchter zum Essen ein, als Dank für ihre Dienste auf Kosten der Spesenkasse der Polizeidirektion. Selbstverständlich durften sie das Lokal auswählen, und entgegen meinen Befürchtungen wollten sie nicht in einen Schnellimbiss, sondern ins vornehme Restaurant des Hotel Ritter. Wir speisten lange und fürstlich. Die Zwillinge hatten sich fein herausgeputzt und bestanden darauf, alt genug zu sein, zum Essen Wein zu trinken.
Erst nach elf kamen wir glänzend gelaunt nach Hause, und ich musste an Veras Worte denken: »Kinder sind immer ein bisschen weiter, als man denkt.«
Was ich fast vergessen hätte: Drei Wochen nach dem Brand tauchte Anne Hörrles Katze wieder auf. Eines Morgens saß sie im Garten. Abgemagert und von Kämpfen zerzaust, aber gesund und kratzlustig wie eh und je. Heute lebt sie wieder bei ihrer Besitzerin, die den Wiederaufbau ihres Hauses plant. Woher sie das Geld dazu hat, wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben.
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