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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Kollege sie ausgelacht. Frau Brenneisen beobachtete unsere Unterhaltung aufmerksam.
    »Was ist das denn für ein Auto?«
    »Ein Passat. Ein weißer Kombi. Ziemlich alt schon, aber er fährt noch ganz gut«, flüsterte die Frau und nannte mir ein Mannheimer Kennzeichen.
    Ich zückte mein Handy und wählte die Nummer der Polizeidirektion.
    »Augenblick, Herr Kriminalrat«, erklang es dienstbeflissen. Sekunden später meldete sich ein Hauptkommissar Scheuerlein, an dessen Gesicht ich mich aus irgendeiner langweiligen Sitzung erinnerte. Ich war ja erst seit einem halben Jahr Chef der Heidelberger Kriminalpolizei, und hatte mir noch nicht alle Namen merken können. Ich beschrieb dem Kollegen die Notlage der Frau sowie ihren verschwundenen Passat. Mutter und Kind beobachteten mich mit feuchten Augen. Dann nickte ich den beiden aufmunternd zu und ging zu Frau Brenneisen zurück.
    Ich gebe zu, ich war unhöflich, aber ich wollte nicht mit der Frau sprechen. Ich wollte mit niemandem sprechen. Mein Bedarf an Ärger und Problemen war gedeckt für diesen Tag.
    Morgens im Bad hatte ich schon wieder ein paar neue graue Haare auf meinem Kopf entdeckt, obwohl ich doch erst gestern sieben von der Sorte ausgezupft hatte. Zum Frühstück legten meine vierzehnjährigen Zwillinge mir zwei rekordverdächtige Französischarbeiten zum Unterschreiben vor. Obwohl sie alle Eide schworen, an weit entfernten Ecken des Klassenzimmers gesessen zu haben, hatten sie zwei völlig identische Katastrophen abgeliefert und ihre Quittung dafür bekommen: zwei Mal Fünf minus. Ich wusste, sie hassten ihre neue Heimat, sie hassten ihre neue Schule. Aber das war kein Grund, sich die Zukunft zu ruinieren.
    Kaum im Büro, war mir Liebekind, mein Vorgesetzter, auf die Nerven gegangen wegen irgendwelcher Statistiken und Aufklärungsquoten, die ich spätestens Ende Januar hätte ans Innenministerium liefern sollen. Ich war mir sicher, alles längst fertig gemacht zu haben, aber aus unerfindlichen Gründen waren plötzlich zwei Dateien von meinem Computer verschwunden, und nun durfte ich alles noch einmal tippen.
    Um das Maß voll zu machen, hatte Theresa nachmittags unser Treffen für heute Abend abgesagt. Theresa war Liebekinds Frau und seit Monaten unglücklicherweise meine Geliebte. Die Absage war per E-Mail gekommen, zwei Zeilen, ohne Begründung. Und seitdem war ihr Handy ausgeschaltet. Ich wusste nicht, was los war. War sie sauer? Wollte sie mich bestrafen? Wenn ja, dann wusste ich leider nicht, wofür.
    Einen großen Teil des Tages hatte ich in ewig langen Sitzungen zugebracht, bei denen es um die Verbesserung der inneren Sicherheit unserer Stadt ging, und das bei Jahr für Jahr sinkenden Budgets. Die restliche Zeit über hatte ich so wichtige Dinge erledigt wie das Unterschreiben von Reisekostenabrechnungen, das Erfinden phantasiereicher Begründungen für Mittelanforderungen, das Beantragen neuer Dienstwagen als Ersatz für die Rostlauben, mit denen meine Leute ihre Einsätze fahren mussten.
    »Haben Sie schon von den zwei entlaufenen Killern gehört?«, holte mich Frau Brenneisen in die Gegenwart zurück. Dabei schmunzelte sie so herzerwärmend, als wären ausgebrochene Schwerverbrecher eine wirklich hübsche Nachricht zum Feierabend.
    Selbstverständlich hatte ich schon von den in der Nähe von Heilbronn entflohenen Untersuchungsgefangenen erfahren. Die Fahndungsmeldung war bereits gestern Morgen über meinen Schreibtisch gegangen. Die beiden waren in der Nacht von Montag auf Dienstag aus der psychiatrischen Landesklinik in Weinsberg verschwunden. Einer hatte im Suff seine Frau ermordet, der andere im Zustand religiöser Erleuchtung ein altes Ehepaar aus der Nachbarschaft zerstückelt und, säuberlich in Frischhaltebeuteln verpackt, in seiner Tiefkühltruhe eingelagert.
    Es sei schon gestern den ganzen Tag über im Radio gekommen, erzählte mir Frau Brenneisen aufgeräumt, und man solle in der Gegend auf keinen Fall Anhalter mitnehmen.
    »Aber ich nehm sowieso nie Anhalter mit. Schon gar keine Männer«, meinte sie und schrubbte, als müsste sie alle Schlechtigkeit dieser Welt wegputzen, mit einem harten Schwamm auf ihrem Tresen herum.
    Inzwischen war es dunkel geworden. Die Glocke der nur wenige Schritte entfernten Christuskirche dröhnte sechs Mal. Eine neue, diesmal proppenvolle Straßenbahn kam aus der Stadt und hielt quietschend an der Haltestelle. Ein Schwall grauer Gestalten ergoss sich auf den feuchten Gehsteig und zerstreute sich rasch. Mir

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