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Heidi - Buch 1 und 2 - Illustrierte Ausgabe

Heidi - Buch 1 und 2 - Illustrierte Ausgabe

Titel: Heidi - Buch 1 und 2 - Illustrierte Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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fragte jetzt der Herr Pfarrer.
     
    »Nichts, es wächst und gedeiht mit den Geißen und den Vögeln; bei denen ist es ihm wohl und es lernt nichts Böses von ihnen.«
     
    »Aber das Kind ist keine Geiß und kein Vogel, es ist ein Menschenkind. Wenn es nichts Böses lernt von diesen seinen Kameraden, so lernt es auch sonst nichts von ihnen; es soll aber etwas lernen, und die Zeit dazu ist da. Ich bin gekommen, es Euch zeitig zu sagen, Nachbar, damit Ihr Euch besinnen und einrichten könnt den Sommer durch. Dies war der letzte Winter, den das Kind so ohne allen Unterricht zugebracht hat; nächsten Winter kommt es zur Schule, und zwar jeden Tag.«
     
    »Ich tu’s nicht, Herr Pfarrer«, sagte der Alte unentwegt.
     
    »Meint Ihr denn wirklich, es gebe kein Mittel, Euch zur Vernunft zu bringen, wenn Ihr so eigensinnig bei Eurem unvernünftigen Tun beharren wollt?«, sagte der Herr Pfarrer jetzt ein wenig eifrig. »Ihr seid weit in der Welt herumgekommen und habt viel gesehen und vieles lernen können, ich hätte Euch mehr Einsicht zugetraut, Nachbar.«
     
    »So«, sagte jetzt der Alte und seine Stimme verriet, dass es auch in seinem Innern nicht mehr so ganz ruhig war; »und meint denn der Herr Pfarrer, ich werde wirklich im nächsten Winter am eisigen Morgen durch Sturm und Schnee ein zartgliedriges Kind den Berg hinunterschicken, zwei Stunden weit, und zur Nacht wieder heraufkommen lassen, wenn’s manchmal tobt und tut, dass unsereiner fast in Wind und Schnee ersticken müsste, und dann ein Kind wie dieses? Und vielleicht kann sich der Herr Pfarrer auch noch der Mutter erinnern, der Adelheid; sie war mondsüchtig und hatte Zufälle, soll das Kind auch so etwas holen mit der Anstrengung? Es soll mir einer kommen und mich zwingen wollen! Ich gehe vor alle Gerichte mit ihm, und dann wollen wir sehen, wer mich zwingt!«
     
    »Ihr habt ganz Recht, Nachbar«, sagte der Herr Pfarrer mit Freundlichkeit; »es wäre nicht möglich, das Kind von hier aus zur Schule zu schicken. Aber ich kann sehen, das Kind ist Euch lieb; tut um seinetwillen etwas, das Ihr schon lange hättet tun sollen, kommt wieder ins Dörfli herunter und lebt wieder mit den Menschen. Was ist das für ein Leben hier oben, allein und verbittert gegen Gott und Menschen! Wenn Euch einmal etwas zustoßen würde hier oben, wer würde Euch beistehen? Ich kann auch gar nicht begreifen, dass Ihr den Winter durch nicht halb erfriert in Eurer Hütte, und wie das zarte Kind es nur aushalten kann!«
     
    »Das Kind hat junges Blut und eine gute Decke, das möchte ich dem Herrn Pfarrer sagen, und dann noch eins: Ich weiß, wo es Holz gibt, und auch, wann die gute Zeit ist, es zu holen; der Herr Pfarrer darf in meinen Schopf hineingehen, es ist etwas drin, in meiner Hütte geht das Feuer nie aus den Winter durch. Was der Herr Pfarrer mit dem Herunterkommen meint, ist nicht für mich; die Menschen da unten verachten mich und ich sie auch, wir bleiben voneinander, so ist’s beiden wohl.«
     
    »Nein, nein, es ist Euch nicht wohl; ich weiß, was Euch fehlt«, sagte der Herr Pfarrer mit herzlichem Ton. »Mit der Verachtung der Menschen dort unten ist es so schlimm nicht. Glaubt mir, Nachbar: Sucht Frieden mit Eurem Gott zu machen, bittet um seine Verzeihung, wo Ihr sie nötig habt, und dann kommt und seht, wie anders Euch die Menschen ansehen und wie wohl es Euch noch werden kann.«
     
    Der Herr Pfarrer war aufgestanden, er hielt dem Alten die Hand hin und sagte nochmals mit Herzlichkeit: »Ich zähle darauf, Nachbar, im nächsten Winter seid Ihr wieder unten bei uns und wir sind die alten, guten Nachbarn. Es würde mir großen Kummer machen, wenn ein Zwang gegen Euch müsste angewandt werden; gebt mir jetzt die Hand darauf, dass ihr herunterkommt und wieder unter uns leben wollt, ausgesöhnt mit Gott und den Menschen.«
     
    Der Alm-Öhi gab dem Herrn Pfarrer die Hand und sagte fest und bestimmt: »Der Herr Pfarrer meint es recht mit mir; aber was er erwartet, das tu ich nicht, ich sag es sicher und ohne Wandel: Das Kind schick ich nicht, und herunter komm ich nicht.«
     
    »So helf Euch Gott!«, sagte der Herr Pfarrer und ging traurig zur Tür hinaus und den Berg hinunter.
     
    Der Alm-Öhi war verstimmt. Als Heidi am Nachmittag sagte: »Jetzt wollen wir zur Großmutter«, erwiderte er kurz: »Heut nicht.« Den ganzen Tag sprach er nicht mehr, und am folgenden Morgen, als Heidi fragte: »Gehen wir heut zur Großmutter?«, war er noch gleich kurz von Worten wie im

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