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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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Wintertage zubringen.
    Der Herr Doktor und der Almöhi werden täglich bessere Freunde, und wenn sie zusammen auf dem Gemäuer herumsteigen, um den Fortgang des Baues zu besichtigen, kommen ihre Gedanken meistens auf das Heidi, denn beiden ist die Hauptfreude an dem Hause, daß sie mit ihrem fröhlichen Kinde hier einziehen werden.
    »Mein lieber Freund«, sagte kürzlich der Herr Doktor, mit dem Öhi oben auf der Mauer stehend, »Sie müssen die Sache ansehen wie ich. Ich teile alle Freude an dem Kinde mit Ihnen, als wäre ich der nächste nach Ihnen, zu dem das Kind gehört; ich will aber auch alle Verpflichtungen teilen und nach bester Einsicht für das Kind sorgen. So habe ich auch meine Rechte an unserem Heidi und kann hoffen, daß es mich in meinen alten Tagen pflegt und um mich bleibt, was mein größter Wunsch ist. Das Heidi soll in alle Kindesrechte bei mir eintreten; so können wir es ohne Sorge zurücklassen, wenn wir einmal von ihm gehen müssen, Sie und ich.«
    Der Öhi drückte dem Herrn Doktor lange die Hand. Er sagte kein Wort, aber sein guter Freund konnte in den Augen des Alten die Rührung und hohe Freude lesen, die seine Worte erweckt hatten.
    Derweilen saßen das Heidi und der Peter bei der Großmutter, und das erstere hatte so viel zu tun mit Erzählen und der letztere mit Zuhören, daß sie alle beide kaum zu Atem kommen konnten und vor Eifer immer näher auf die glückliche Großmutter eindrangen.
    Wieviel war ihr auch zu berichten von alle dem, das den ganzen Sommer durch sich ereignet hatte, denn man war ja so wenig zusammengekommen während dieser Zeit.
    Und von den dreien sah immer eins glücklicher aus als das andere über das neue Zusammensein und über alle die wunderbaren Ereignisse. Jetzt aber war das Gesicht der Mutter Brigitte noch fast am glücklichsten anzusehen, da mit Heidis Hilfe nun zum erstenmal klar und verständlich die Geschichte des unaufhörlichen Zehners herauskam. Zuletzt aber sagte die Großmutter:
    »Heidi, lies mir ein Lob-und Danklied! Es ist mir, als könne ich nur noch loben und preisen und unserem Gott im Himmel Dank sagen für alles, was er an uns getan hat.«

Heimatlos
.

Am Silser-und am Gardasee.
Erstes Kapitel.
Im stillen Hause.
    Im Ober-Engadin, an der Straße gegen den Maloja hinauf, liegt ein einsames Dörfchen, das heißt Sils. Da geht man von der Straße querfeldein, und hinten, ganz nahe an den Bergen, liegt ein kleiner Ort, der heißt Sils-Maria. Da standen zwei Häuschen einander gegenüber, ein wenig abseits im Felde. Die hatten beide uralte hölzerne Haustüren und ganz kleine Fenster tief in der Mauer drinnen. Beim einen Haus war ein kleines Stück Garten, da wuchs Kraut und Kohl und es standen auch vier Blumenstöcke darin, die sahen aber mager aus und aufgeschossen wie das Kraut. Beim anderen Häuschen war gar nichts als ein kleiner Stall neben der Tür; da krochen zwei Hühner aus und ein. Dies Häuschen war noch ziemlich kleiner als das andere, und die hölzerne Tür war schwarz vor Alter.
    Aus dieser Tür trat jeden Morgen um dieselbe Zeit ein großer Mann, der mußte sich bücken, um hinauszukommen. Der große Mann hatte ganz glänzend schwarze Haare und schwarze Augen, und unter der schön geformten Nase fing gleich ein so dichter, schwarzer Bart an, daß man vom übrigen Gesichte nichts mehr sah als die weißen Zähne, die zwischen den Barthaaren durchblitzten, wenn der Mann einmal sprach; aber er sprach sehr wenig. Alle Leute in Sils kannten den Mann, aber niemand nannte ihn bei einem Namen, er hieß bei allen nur »der Italiener«. Er ging regelmäßig den schmalen Weg querüber gegen Sils hin und den Maloja hinauf. Dort wurde viel an der Straße gebaut, und da hatte der Italiener seine Arbeit. Ging er aber nicht den Weg hinauf, so ging er hinunter, dem Bade St. Moritz zu; dort baute man Häuser, und er fand auch seine Arbeit. Da blieb er den Tag über und kehrte erst am Abend wieder ins Häuschen zurück. Gewöhnlich, wenn er am Morgen aus der Tür trat, stand hinter ihm ein Büblein; das stellte sich auf die Türschwelle, wenn der Vater draußen war, und schaute mit den großen, dunklen Augen lange hinaus dem Vater nach, oder sonst wohin, man hätte nicht sagen können, wohin, denn es war, als ob die dunklen Augen über alles wegschauten, was vor ihnen lag, und auf etwas hin, das niemand sehen konnte.
    Am Sonntagnachmittag, wenn die Sonne schien, dann traten die beiden auch manchmal miteinander aus dem Häuschen und gingen

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