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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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konnte hier endlich die alte Käthe hervorbringen, “ich weine ja nur vor Freude, vor lauter Freude. Sie wissen ja nicht, von welchem Kummer Sie mich befreit haben, und welche Wohltat Sie an mir tun.”
    Und nun erzählte die Alte der Bäuerin, wie sie sich schon den ganzen Sommer über gesorgt hätte und nun jeden Augenblick den Vetter erwarte. Das habe sie dem Kind gar nicht sagen dürfen, weil sie sich vor seinem großen Jammer fürchtete. Eben als die Großmutter fertig erzählt hatte, kam das Trini hereingesprungen. Beim Anblick der goldenen Äpfel auf dem Tisch und der Bäuerin, die daran saß, stand es plötzlich still und schaute mit größter Verwunderung um sich.
    “Komm, gib mir die Hand, Trini”, sagte die Bäuerin. “Da du meine Bäume nie geschüttelt hast, mußt du mit der Großmutter ein paar Äpfel davon haben.”
    Über Trinis Gesicht ging ein freudiges Lächeln. So hatte es die Bäuerin doch noch vernommen, daß es das nicht getan hatte, das erfreute sein Herz. Es kam eilig herbei, der Frau die Hand zu reichen. “Was meinst du?” fuhr die Bäuerin fort, “wie gefiele es dir bei mir auf dem Hof, wolltest du brav mit mir arbeiten?”
    Das Trini schaute immer verwunderter einmal auf die Bäuerin und dann wieder auf die Großmutter. Diese konnte nicht mehr schweigen in ihrer Freude: “Trineli, denk nur, denk nur, wie es jetzt kommt”, rief sie aus, “du kommst nicht ins Reußtal, du sollst nicht von mir fort. Jeden Tag darfst du zu der guten Frau hinunter auf den Goldäpfelhof und am Abend wieder heim. Ach, was ist das für eine Erlösung aus der großen Sorge. Dank ihr, Trineli, dank ihr!”
    “So danke ich vielmals. Und ich will gern arbeiten bei Ihnen, was Sie nur wollen”, sagte das Trini, das erst jetzt das Angebot der Bäuerin zu würdigen wußte.
    “So ist’s recht”, schloß die Bäuerin, “die Sache ist abgemacht. Das Beerenlesen hat jetzt ein Ende, und das Apfel-und Birnenlesen fängt an. Das ist gerade die rechte Zeit, um bei mir mit der Arbeit anzufangen. Am Montag schicken Sie mir das Kind, Käthe, und geben ihm Ihren Segen mit. Und nun auf Wiedersehen.”
    Sobald die Tür sich hinter der Bäuerin schloß, fing die Großmutter an, laut zu loben und zu danken, daß der liebe Gott alle ihre Sorge in solche Freude und Hilfe verwandelt hatte. Das Trini jauchzte laut auf: “Juchhe, nun muß ich nie von dir fort, Großmutter! Ich will schon tüchtig arbeiten, dann behält mich gewiß die Bäuerin ihr Leben lang.”
    Jetzt mußte es aber die goldenen Äpfel noch aus der Nähe betrachten. Auf einmal sagte es: “Großmutter, darf ich nicht dem Maneli noch geschwind die Hälfte bringen? Ich habe jetzt immer mit ihm geteilt.”
    “Ja, ja”, nickte beifällig die Alte, das war ihr gerade recht, daß auch der armen Nachbarin etwas von ihrem großen Glück zugute komme. “Lauf nur gleich, Trineli, und nimm auch mehr als die Hälfte. Es sind so viele, die sich an den Äpfeln freuen werden, geh schnell!”
    Trini stürzte fort, und ein ungeheures Freudengeschrei brach bei der
Kinderschar aus, als es die Äpfel auf den Tisch hinschüttete. Sie
rollten da und dorthin und der süße Apfelduft durchströmte die ganze
Stube.
    Am Montag, als das Trini unter den Bäumen des Goldäpfelhofes schon eifrig bei seiner Arbeit war, trat der Vetter bei der alten Käthe ein. Jetzt hatte sie keinen Schrecken mehr. Sie sagte ihm, wo das Kind bei der Arbeit sei und daß es dort bleiben werde. Aber so schnell ließ sich der Vetter nicht von seinem Plan abbringen, denn er hatte fest vor, das Kind mitzunehmen. Er lief gleich zum Vormund und sagte ihm, daß das Kind in der Fabrik viel mehr verdienen könne als bei der Bäuerin. Aber der Vormund lächelte nur schlau, denn die Goldäpfelbäuerin war auch bei ihm gewesen. Sie wußte schon, was sie zu tun hatte, wenn sie das Kind behalten wollte. Er sagte, wenn das Kind fort sei, sorge niemand für die alte Frau. Solange es aber bei der Bäuerin sei, wären sie beide versorgt und könnten ohne fremde Hilfe gut leben. Und so sei beschlossen worden, daß das Kind bei der Bäuerin bleibe.
    Dem Trini geht es mit jedem Tag besser auf dem Goldäpfelhof Jetzt kennt es schon alle Arbeit, und die Bäuerin mag das flinke, immer frohe Trini so gern, als wäre es ihr eigenes Kind. Die Großmutter sorgt auch dafür, daß das Kind nie vergaß, wer zu ihm redet, wenn es ertragen soll, was weh tut. Denn sie weiß wohl, wie es zu dem guten Platz bei der Bäuerin gekommen

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