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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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Stuhl, der für Anju bestimmt gewesen war, schob ihn näher und hieß den Engel sich setzen. »Es will mir eine Ehre und übergroße Freude sein, so ich hoffen darf, dass Euer Besuch der Angelegenheit jener Klänge gilt, die der Herr in seiner übermächtigen Güte mir, als seinem geringsten Diener, hat zuteil werden lassen.«
    »Ich komme wegen des
Requiems

    Ihm war, als ließe man Luft aus ihm wie aus einem Gasballon. »Gewiss. Das
Requiem
.« Er nickte ergeben, spürte, dass seine Stimme an Kraft verlor. »Ich ähm, bedauere, bin untröstlich, bitte um Nachsicht – allein, es ist … ähm, nicht fertig.«
    »Was ist nicht fertig?«
    Wolfgang zog den Kopf ein. »Das Lacrymosa.« Er wies auf ein Papierbündel am Fußende seines Bettes. »Seid meines guten Willens und gewisslichen Könnens versichert. Ich ermangelte nicht, mein Möglichstes zu tun, doch ist dies eine Aufgabe, die einem empfindsamen Manne allzu schwer zu Herzen gehen will.«
    Der Erzengel warf ihm einen Blick zu, den Wolfgang nicht zu deuten wusste. »Darf ich?« Er sammelte die losen Blätter vom Bett, bündelte sie auf seinem Schoß und begann darin zu lesen. Schließlich sah er auf. »Unglaublich. Brillant. Und diese Stelle hier …«
    Wolfgang atmete leichter. Immerhin schien man ihm dieses Mal keinen Banausen geschickt zu haben. Der hier war gar des Notenlesens kundig. Mit Glück würde sich auch mit ihm reden lassen.
    »Wissen Sie eigentlich, welcher Tag heute ist, Herr Mustermann?«
    Er erschrak. »Der … Fünfte?«
    »Exakt. Der 5. Dezember, Mozarts Todestag.« Der Erzengel strich gedankenverloren über die letzten Takte des Agnus Dei. »Wenn wir das zeitiger gehabt hätten … es wäre eine Sensation gewesen, das heute aufzuführen.«
    »Es tut mir leid, ich …«
    »Ach, Herr Mustermann, darauf kommt es doch jetzt nicht an, ich bitte Sie. Die Zukunft liegt zu Ihren Füßen!«
    »Die Zukunft?« Die Zukunft. Natürlich. Er hatte es geahnt – hier ging es um mehr als um zweihundert Jahre, hier ging es um Musik, die alle Zeiten sprengte, die keine Rücksicht nehmen durfte auf die Begrenzungen eines einzigen Menschenlebens. »So darf ich darauf vertrauen, dass Ihr mich ausersehen habt, jener Musique, derer ich gewahr wurde, den Weg in kommende Zeiten zu ebnen? Garselbst meinen Weg dorthin zu machen?«
    »Herr Mustermann, ich habe mir bisher nur einen kleinen Eindruck von Ihrem Talent verschaffen können, aber soweit ich es beurteilen kann, stehen Ihnen alle Wege offen. Und ich verspreche Ihnen, dass ich mich für Sie starkmachen werde.«
    »Oh, seid gewiss, dass ich ein Reichliches an weiteren Kompositionen verfasst, mithin also nicht tatenlos gewesen.«
    »Das freut mich zu hören, Herr Mustermann. Wobei ich denke, dass wir uns zunächst auf das
Requiem
konzentrieren sollten. Das Lacrymosa, sagten Sie, ist alles, was noch fehlt?«
    Wolfgang biss sich auf die Lippen. Lehnte die Schulter an die Wand. Spürte, wie Resignation ihn anfiel und jene lustvolle Ruhelosigkeit zu bezwingen suchte, die seit dem Nachmittag von ihm Besitz genommen hatte. »So bedarf es also, um zukünftige Gefilde zu erreichen, unabdingbarder Fertigstellung desselben?« Wie eine Prüfung standen sie vor ihm, die dreißig, vierzig Takte, und waren doch nichts denn eine Tür, die es aufzustoßen galt. »Ich hatte es geahnt«, flüsterte er. Und einem Geheiß kommender Freuden gleich, nahmen ihn die verwirrend neuen Töne wieder ein.
    »Na ja, mit einem Fragment kommen wir nicht weit, Herr Mustermann. Und ich glaube nicht, dass sich jemand finden würde, der annähernd Ihre Fähigkeiten hat und Ihnen diese Arbeit abnehmen könnte. Aber mir ist nicht ganz klar, wo das Problem liegt. Sehen Sie sich gesundheitlich außerstande, es fertig zu schreiben?«
    Ein Gebilde aus Lauten, von den Gesetzen einer unbekannten Dimension vereint, klang überirdisch schön zu ihm, und er wusste, dass es mehr war denn eine Melodie. Dass er es nicht benennen konnte, schien ihm mit einem Mal keine Begrenzung mehr zu sein, sondern nur eine Frage des Zeitpunktes. Es bedurfte nur eines Schrittes, um ihn dorthin zu bringen, wo jene Antwort seiner harrte. Selige Vorfreude erfasste ihn.
    »Allerheiligster Engel! Ich bitte Euch! Gleichwohl ich der Pillen und Injektionen derzeit in einem Maße verabreicht bekomme, das zur Sorge Anlass böte, so fühle ich mich doch frisch und jung und allen Anforderungen – speziell den zukünftigen – gewachsen. Sonderheitlich mich jene Offenbarung, die der HERR mir

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