Herrin der Finsternis Roman
sich. Da merkte er, dass Fang noch lebte und unkontrolliert zitterte. In Vanes Ohren klangen die schwachen röchelnden Atemzüge wie Musik. Von maßloser Erleichterung überwältigt, konnte er sein Schluchzen nicht mehr unterdrücken.
Behutsam hielt er seinen Bruder umfangen und flüsterte in die Stille. »Los, sag etwas – irgendwas Dummes!«
Aber Fang schwieg. Bebend lag er in Vanes Armen, offenbar stand er unter Schock. Nun, wenigstens lebte er. Vorerst.
Von heller Wut erfasst, biss Vane die Zähne zusammen. Er musste Fang aus diesem Höllenloch in Sicherheit bringen. Falls es einen sicheren Ort gab. Sein Zorn verlieh ihm ungeheure Kräfte, und er tat, was im Grunde nicht möglich war. Mit bloßen Händen zerriss er das Halsband seines Bruders, der sich sofort in einen Wolf verwandelte.
Trotzdem kam Fang nicht zu sich, er zwinkerte nicht, winselte nicht einmal. Vanes Kehle verengte sich. In seinen Augen brannten neue Tränen, die er energisch hinunterschluckte.
»Schon gut, kleiner Bruder«, wisperte er und hob Fang aus dem fauligen Wasser. Das Gewicht des braunen Wolfs war eine schwere Last. Doch das störte Vane nicht, er ignorierte den Schmerz seines Körpers, der gegen die erdrückende Bürde protestierte.
Solange das Blut in seinen Adern pulsierte, würde niemand je wieder ein Geschöpf verletzen, das er liebte. Und wer es versuchte, müsste sterben.
1
Die Lilac and Lace Boutique in der
Iberville Street
French Quarter
Acht Monate später
Verblüfft starrte Bride McTierney den Brief in ihrer Hand an. Sie blinzelte. Dann blinzelte sie noch einmal. Da konnte nicht wirklich stehen, was sie glaubte.
Oder doch?
War es ein Scherz?
Aber als sie den Brief ein viertes Mal las, schwanden die letzten Zweifel – das war ernst gemeint. Der elende, feige Hurensohn hatte tatsächlich über ihr eigenes FedEx-Konto mit ihr Schluss gemacht.
Tut mir leid, Bride, ich brauche eine Frau, die meinem Promi-Image entspricht. Ich verkehre in den besten Kreisen, deshalb muss ich eine Frau an meiner Seite haben, die mich unterstützt und nicht behindert. Deine Sachen lasse ich in Dein Haus liefern. Dabei liegt Geld für ein Hotelzimmer heute Nacht, falls in den Iberville Suites nichts frei ist. Alles Gute, Taylor.
» Du armseliger, heuchlerischer Abschaum!«, fauchte sie. Während sie den Brief noch einmal las, krampfte ein so heftiger Schmerz ihr Herz zusammen, dass sie die Tränen kaum zurückhalten konnte. Fünf Jahre lang war Taylor ihr Freund gewesen. Und jetzt gab er ihr den Laufpass. Mit einem Brief, für den er das Geschäftskonto ihres Kurierdienstes benutzt hatte. »Fahr zur Hölle, du verdammte, dreckige, falsche Schlange!« Normalerweise würde sie sich eher eine Hand abhacken, als zu fluchen. Aber dieser Verrat verlangte eine entsprechende Wortwahl.
Und eine Axt für den Kopf ihres Ex.
Sie unterdrückte den Impuls zu schreien. Und das Bedürfnis, in ihren SUV zu steigen, zu seinem TV -Sender zu fahren und ihn in klitzekleine blutige Stücke zu reißen.
Gottverdammter Mistkerl!
Über eine Wange rollte eine Träne. Bride wischte sie weg und schnüffelte. Sechs Monate lang hatte sie geahnt, was geschehen würde. Die ganze Zeit hatte sie es schon gespürt. Taylor hatte ihr ständig neue Diäten oder Workouts aufgezwungen.
Ganz zu schweigen von der wichtigen Dinnerparty vor zwei Wochen im Aquarium, vor der er ihr erklärt hatte, sie solle ihn nicht begleiten. »Nicht nötig, dass du dich für so was Langweiliges aufdonnerst. Wirklich nicht. Da gehe ich lieber allein hin.«
Sobald er verstummt war, hatte sie gewusst – es würde nicht mehr lange dauern. Trotzdem tat es weh, trotzdem war sie verzweifelt. Wie konnte er ihr so etwas zumuten?
Noch dazu auf diese Art? Wütend schwenkte sie den Brief durch die Luft ihres Ladens. Dann wusste sie es. Taylor war in dieser Beziehung niemals glücklich gewe sen und nur mit ihr ausgegangen, weil ihr Vetter einen lokalen Fernsehsender leitete. Dort hatte er einen Job angestrebt. Wie eine echte Närrin hatte sie ihm auch noch geholfen, einen zu kriegen.
Jetzt, in seiner gesicherten Position, mit Spitzenquoten, zog er diese miese Nummer ab.
Okay, sie brauchte ihn nicht. Ohne ihn war sie besser dran. Aber all die vernünftigen Argumente konnten den bitteren, schrecklichen Schmerz in ihrem Herzen nicht lindern, der den Wunsch weckte, sich zusammenzukrümmen und bis zur völligen Erschöpfung zu weinen.
»Das tu ich nicht«, flüsterte sie und wischte noch eine Träne
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