Schnupperküsse: Roman (German Edition)
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Schokoladenbrownies
Nach diesem einschneidenden Erlebnis, das mit dem großen S, das mein ganzes Leben auf den Kopf stellte, schwor ich mir, mich nie mehr zu verlieben. Ich beschloss, mein Herz zu stählen und jeglichen emotionalen Verstrickungen aus dem Weg zu gehen. Trotzdem kann ich nicht anders, als vollkommen hingerissen zu sein. Bevor Sie jedoch irgendwelche Einwände erheben, an diesem Zustand ist kein Mann schuld, sondern das wunderschönste Haus der Welt.
Genauer gesagt, Uphill House, ein Langhaus aus dem sechzehnten Jahrhundert, das auf halber Höhe an einem Hang liegt, an dessen Fuß sich der Fluss Taly durch das Tal schlängelt und ins Meer fließt. In den dicken zartrosa Lehmwänden sind Bleiglasfenster mit rautenförmigem Muster eingelassen, und das hutförmige Dach schließt mit goldfarbenem Stroh ab. Eingebettet in vier Morgen Land liegt das Haus am Rand von Talyton St. George, einer kleinen Stadt im Osten von Devon. Es strahlt Sicherheit, Behaglichkeit und Ewiglichkeit aus, sollte ein solches Wort existieren. Ich kann nur hoffen, dass nach all dem emotionalen Schmerz, den meine Familie hat ertragen müssen, diese Beziehung von Dauer sein wird.
Nachdem ich das Auto vor dem Haus geparkt habe und durch das klapprige Zauntor gegangen bin, bahne ich mir meinen Weg durch Gras und blühende Malven, bis ich zur Veranda vordringe, die aus halb hohen Wänden und verwitterten senkrechten Holzbalken besteht, auf denen ein Ziegeldach ruht. Geduckt arbeite ich mich unter einem Gewirr welken Blauregens, rosa und gelben Kletterrosen und Heckenkirschen bis zur Eingangstür vor.
Ich hebe die Fußmatte am Rand hoch, die auf einer Steinstufe liegt, nehme den Briefumschlag, öffne ihn und finde einen Schlüssel und eine Mitteilung vor. Ich überfliege sie kurz. Sie ist äußerst knapp und in einem nicht sonderlich einladenden Ton geschrieben, was mich in Anbetracht des Verhaltens, das ihr Verfasser mir beim Verkauf des Hauses entgegenbrachte, nicht überrascht. Der Kauf von Uphill House kann durchaus als ein harter Kampf bezeichnet werden, obwohl – ich lächle in mich hinein – wann war es je leicht, Besitz über das Objekt seiner Begierde zu erlangen?
An J. Copeland. Habe das Schloss geölt. G. Barnes.
Mein Kontakt zu G. Barnes war bisher nur über Makler und Anwälte erfolgt, weshalb ich immer noch keinen Schimmer habe, was sich hinter »G.« verbirgt oder wie »G.« aussieht, obwohl mir bereits gesagt wurde, er sei Bauer und lebe nebenan. Mit »nebenan« meine ich den Hof, der gut dreißig Meter den Weg hinauf auf der anderen Seite liegt. Die krakelige Handschrift lässt auf einen eigenwilligen Menschen mit geringem Maß an Manieren und dürf tiger sozialer Kompetenz schließen, auch wenn das Verteilen von Öl über die halbe Tür und die Stufe als eine von ihm fürsorgliche Geste ausgelegt werden könnte, denke ich.
Ich stecke den Schlüssel in das Schlüsselloch und versuche, mir dabei meine grün bestickte Tunika nicht mit Öl vollzuschmieren. Ich ziehe und rüttle an dem Schlüssel, bis er sich dreht und drücke dann die Tür auf, deren Angeln quietschen. Ob als Willkommensgruß oder aus Protest, da bin ich mir nicht sicher. Wahrscheinlich beruht ihr heruntergekommener Zustand darauf, dass sie eine ganze Weile in Ruhe gelassen worden ist.
Endlich drinnen. Der Übergang von grellem Sonnenlicht und durchdringender Hitze des bisher heißesten Tages dieses Sommers in den kühlen, dunklen Flur ist ziemlich drastisch. Ich bleibe kurz stehen und atme den Geruch des Hauses ein, eine Mischung aus Rosenblättern, feuchten Holzbalken und Landluft. Mein Blick wandert über den mit dunklen Eichenholzbrettern vertäfelten Flur zu den verschmierten Fenstern am Ende, durch die ich einen leicht verzerrten Blick auf den hinteren Garten mit der Koppel werfen kann, die sich bis zu einem Wäldchen erhebt, und mein Puls schnellt vor Freude in die Höhe.
Dass ich mit vierzig wieder allein sein würde, damit hatte ich nicht gerechnet, doch jetzt, nachdem ich die Scheidung hinter mich gebracht habe, greife ich mit beiden Händen nach dieser sich mir bietenden Gelegenheit – neues Heim, neuer Beruf, neues Leben – und kann es kaum erwarten, in die Küche zu gehen und loszulegen.
Bevor ich mich jedoch meinem neuen Herd, dem AGA , widmen kann, ist noch die eine oder andere Kleinigkeit zu erledigen, wie zum Beispiel einen Lastwagen mit meinen Habseligkeiten zu entladen, Kisten auszupacken und die Kinder an ihr neues Heim
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